Ein Ende dem Verschwendermarkt

Ein Ende dem Verschwendermarkt

Lebensmittelverschwendung zählt zu den größten Verursachern von Treibhausgasen. Verschiedene unabhängige Projekte und die österreichische Regierung versuchen, der Vergeudung ein Ende zu setzen.

800.000 bis eine Million Tonnen¹ an Lebensmitteln werden jährlich weggeworfen, allein in Österreich. Global betrachtet landet ein Drittel aller produzierten Lebensmittel im Müll. Eine Menge so groß, dass sie unserer Vorstellungskraft entgleitet. Greifbarer wird die Wegwerfgesellschaft bei einem Blick in die privaten Küchen und Mülltonnen: Laut WWF wirft ein durchschnittlicher Haushalt 133 Kilogramm² Lebensmittel pro Jahr weg. Dabei sind Privathaushalte oder auch die Gastronomie nur ein Stück des entsorgten Kuchens:  Auch in der Landwirtschaft und den Supermärkten entstehen Massen an Abfall. Ein großer Teil davon wäre vermeidbar, Lösungsansätze zur Müllvermeidung gibt es entsprechend der zahlreichen Entstehungsorte von Lebensmittelabfällen viele.

Privater Müll:

Privathaushalte sind ein ausschlaggebender Faktor, um bei der Abfallvermeidung anzusetzen. 229 Tonnen¹ werden in Österreich jährlich über den Restmüll entsorgt, Bio-Tonnen und Kompost nicht eingeschlossen. Darunter finden sich zum Beispiel Nahrungsmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, die aber noch genießbar sind. Außerdem verleiten Aktionen und Mengenrabatte im Supermarkt dazu, mehr zu kaufen, als man essen kann. Nicht zuletzt ist im privaten Bereich die Außer-Haus-Verpflegung – Gastronomie, Großküchen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Kantinen und Hotels – in die Pflicht zu nehmen, ein Fünftel der ausgegebenen Speisen landet hier am Ende im Müll.

Ende September startete die österreichische Regierung deshalb eine Kampagne, die das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendung in dem Bereich stärken soll. Anlässlich des Welttags gegen Lebensmittelverschwendung, der jährlich am 29. September begangen wird, luden Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, der Wiener Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky und Michael Freitag, Vize-Präsident des Dachverbands der österreichischen Gemeinschaftsverpfleger (“GV Austria”), zur Präsentation der Kampagne „Nix übrig für Verschwendung”. Über die Aktion wurden eine Woche lang die Gäste von 160 teilnehmenden Küchenbetrieben über Sticker und Infoflyer auf die überbordende Lebensmittelverschwendung in unserer Gesellschaft hingewiesen.

Gelingen könne Abfallvermeidung nur, „wenn wir das gemeinsam angehen. Dafür braucht es viel Kommunikation und viele Botschafter,” meinte Gewessler. Ein „erster Schritt“ sei die Koordinierungsstelle gegen Lebensmittelverschwendung gewesen, die im Sommer ins Leben gerufen wurde. Sie erarbeite mit allen relevanten Ressorts eine nationale Strategie, die Ende dieses Jahres vorliegen soll, und sei außerdem für den nationalen „Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung über die gesamte Wertschöpfungskette” zuständig, der im Regierungsprogramm fixiert wurde. Fraglich ist, ob eine Informationskampagne für eine Veränderung genügt.

Makellose Lebensmittel:

Der Großteil der weggeworfenen Lebensmittel stammt nämlich nicht nur aus privaten Haushalten, sondern auch aus der Landwirtschaft. Der Grund ist in erster Linie ein Lebensmittelhandel, der makellose Schönheit vorschreibt. Obst und Gemüse müssen demnach eine bestimmte Farbe haben, dürfen keine braunen Flecken aufweisen, nur eine gewisse Größe erreichen und eine andere nicht überschreiten. Das Ergebnis sind Tonnen von Lebensmitteln, die von Supermärkten abgelehnt und an die Produzent*innen zurückgeschickt werden. Darauf angesprochen, wie Konsument*innen hier aktiv werden könnten, meinte Gewessler, es sei wichtig, Bewusstsein zu schaffen und Normen im Lebensmittelhandel aufzubrechen.

Ein kreativer Ansatz, hier entgegenzuwirken, findet sich am Wiener Schwendermarkt. Am Marktstand 18 wurde der Verschwendung von Lebensmitteln der Kampf angesagt. Hier findet sich der Laden “unverschwendet” von den Geschwistern Cornelia und Andreas Diesenreiter. Das Unternehmen produziert Marmeladen, Sirups, Chutneys, Eingelegtes, Süß-Saures, Ketchup, Saucen und vieles mehr – und das ausschließlich aus Überschüssen oder Rücksendungen der landwirtschaftlichen Produktion. Landwirt*innen, deren Ernte aufgrund äußerer Mängel gar nicht erst in den Handel gelangt, können sich an die Geschwister wenden, um die Lebensmittel zur Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen und nicht wegwerfen zu müssen.

Wegwerf-Handel:

Lebensmittelhändler sind also indirekt für die Entstehung großer Abfallmengen verantwortlich. Der Müll, der direkt aus den Supermarktfilialen von Rewe, Spar und Hofer kommt, macht “nur” Anteile im einstelligen Prozentbereich am gesamten Lebensmittelabfall aus, was aber immer noch tausenden Tonnen entspricht. Die großen Händler*innen bemühen sich über Initiativen wie die „Wiener Tafel“, diese Mengen zu verringern. Mittlerweile werden mehr als 12.000 Tonnen an Lebensmitteln an Sozialorganisationen gespendet, weitere 10.000 werden zur Futtermittelherstellung weiterverwendet³.

Den Kund*innen, denen vom Handel nachgesagt wird, Lebensmittel mit Makeln nicht kaufen zu wollen, sind nach einer jahrzehntelangen Produktoptimierung natürlich verwöhnt. Mit Produktlinien wie den “Wunderlingen” – einem Angebot von nicht normgerecht gewachsenem Obst und Gemüse – wird versucht, Konsument*innen wieder für das natürliche Aussehen zu sensibilisieren. Denn uns Verbraucher*innen muss eines wieder klar werden: Lebensmittel sind ressourcenaufwendig in der Herstellung und dementsprechend wertvoll. Und die Natur kennt keine Makel, das tut nur der Mensch.

Welche Aktionen und Initiativen kenn ihr noch, die versuchen, der Lebensmittelverschwendung Einhalt zu gebieten?

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