Waldgärten – nachhaltige Landwirtschaft
Die Erde zuerst

Waldgärten – nachhaltige Landwirtschaft

Ein Waldgarten ist ein stabiles und nachhaltiges Anbausystem. Waldgärten könnten einen Teil der konventionellen Landwirtschaft ersetzen und dabei helfen, unsere Nahrungsmittelproduktion nachhaltiger und zukunftsfähig zu machen.

Was ist ein Waldgarten?

Ein Waldgarten ist ein landwirtschaftliches System, bei dem es in erster Linie darum geht, Nahrungsmittel effizient und nachhaltig zu produzieren. Auf den ersten Blick sehen viele Waldgärten wie ein normaler gesunder Wald aus. Sie sind artenreich und voller Leben. Doch im Gegensatz zu gewöhnlichen Wäldern, werden in Waldgärten hauptsächlich Bäume und Sträucher mit essbaren Früchten und andere mehrjährige essbare Pflanzen in mehreren Vegetationsschichten so angeordnet, dass sie die Struktur und ökologischen Prozesse eines natürlichen Waldes nachahmen.1,2 So versorgen Waldgärten uns mit Energie, Proteinen und Kohlenhydraten in Form von essbaren Blättern, Samen, Blumen, Beeren, Früchten und Nüssen.3 

In tropischen Ländern sind Waldgartensysteme seit Jahrtausenden weit verbreitet. Als sogenannte „Home Gardens“ tragen sie maßgeblich zur Ernährungssicherheit bei und sind eine wichtige Einnahmequelle für die lokale Bevölkerung. Seit den 1970er Jahren steigt das Interesse an Waldgärten, aber auch in den gemäßigten Klimazonen. Vor allem in England sind seitdem zahlreiche Waldgärten entstanden.1,3 

Auch bei uns können Waldgärten problemlos angelegt werden, sofern man die lokalen Bedingungen berücksichtigt.4 Bei der Planung eines Waldgartens sollte in nördlichen Breiten insbesondere mangelndes Sonnenlicht berücksichtigt werden.4

Waldgarten-Design:

„[Ein Waldgarten] ist ein Design-Wald. Es ist Landwirtschaft. Aber es funktioniert wie ein natürlicher Wald.“5  (Wouter van Eck, Interview: 21. Januar 2022)

Wouter van Eck ist Vorsitzender der niederländischen Stiftung Voedselbosbouw (Lebensmittelforstwirtschaft) und Mitbegründer des Waldgartens “Ketelbroek” in der Nähe von Nijmegen (NL). Er sieht Waldgärten als Chance für eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft.5

Wer einen Waldgarten anlegen möchte, sollte sehr genau planen und sich gut mit den lokalen Gegebenheiten auskennen. Die Arten- und Sortenauswahl hängt stark von den lokalen Bedingungen ab. Extreme Temperaturen, Lichtverhältnisse und Wasserverfügbarkeit sind wichtige Faktoren. Die meisten Waldgärten beherbergen zwischen 100 und 200 Pflanzenarten. 2

Durch gezieltes Kombinieren verschiedener Pflanzenarten mit unterschiedlichen Eigenschaften entsteht ein robustes, sich selbst erhaltendes Anbausystem. Waldgärten benötigen nicht viel Pflege und abgesehen von der Ernte kann man sie die meiste Zeit des Jahres sich selbst überlassen. Lediglich unerwünschte Jungbäume sollte man hin und wieder entfernen.5 Der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln ist überflüssig.


5 (Wouter van Eck, Interview: 21. Januar 2022)

Auf den ersten Blick wirken Waldgärten häufig wild. Die Standorte der verschiedenen Pflanzenarten sind aber dennoch mit Bedacht gewählt. Man muss sich in seinem Waldgarten gut auskennen, um zu wissen, was wo wächst und was wann geerntet werden kann. In größeren Waldgärten kann eine Reihenstruktur helfen, einen besseren Überblick zu bewahren und die Ernte erheblich erleichtern. Visuell erinnern sie zwar weniger an einen natürlichen Wald, die Struktur der einzelnen Vegetationsschichten und die ökologischen Prozesse sind aber dennoch die gleichen. Insbesondere für große kommerzielle Waldgärten kann eine Reihenstruktur sinnvoll sein.5

Arten- und Sortenauswahl:

Waldgärten brauchen Zeit. In den ersten sechs Jahren sind die Erträge eher gering. Doch nach dieser Anfangsphase liefern Waldgärten eine reiche und vielseitige Ernte.5 Für den Anfang eignen sich besonders Apfel- und Birnenbäume, sowie Beerensträucher, da diese bereits schnell Früchte tragen. Arten wie Haselnuss und Esskastanie kommen später hinzu. Sie sind aufgrund ihres hohen Energie- und Fettanteils sehr interessant, da sie andere kalorienreiche Nahrungsmittel ersetzen und so zu einem Grundnahrungsmittel werden könnten .3,4 Esskastanien können fast überall in Deutschland angebaut werden. Ihr Mehl ist außerdem eine glutenfreie Alternative zu Weizen und anderen Getreidearten. Es ist reich an wertvollen Mineralien, Vitaminen, ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffen und die komplexen Kohlenhydrate sorgen für ein langanhaltendes Sättigungsgefühl.4 

Wie bei einem Puzzle werden in einem Waldgarten Pflanzen basierend auf ihren Eigenschaften und Anforderungen miteinander kombiniert. Schattentolerante Arten wie die Johannisbeere oder andere Beeren wachsen im Schatten sonnenliebender Arten.1 Stickstoffbindende Pflanzen wie Erlen, Ginster oder Strauchlupinen können gezielt angebaut werden, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.1,3 Tiefwurzelnde Pflanzen wie Pestwurz , Beinwell oder Ampfer verbessern die Bodenporosität. Sie erschließen Mineralquellen im Boden, die sie an die Oberfläche bringen und so für andere Pflanzen verfügbar machen.1


Infographik illustriert von Cait Mack

Waldgärten im großen Stil:

Waldgärten sind oft kleine Systeme. Schon in einem kleinen Hinterhofgarten kann ein Waldgarten entstehen.1 Viele Waldgärten entstehen als Community-Projekt oder auf dem Gelände alter Landgüter.5 Manche sind für Gäste offen, die vor Ort erfahren können, wie ein Waldgarten aussieht und funktioniert. Bei solchen Projekten geht es meistens nicht um eine kommerzielle Nahrungsmittelproduktion.5 

Dabei sind Waldgärten äußerst ertragreich, robust und in ihrem Unterhalt verhältnismäßig wenig aufwendig. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie gut mit anderen landwirtschaftlichen Systemen kombiniert werden können und selbst in Gebieten gedeihen, die aufgrund ihrer Topografie, Bodenqualität oder klimatischen Eigenschaften für andere Anbausysteme ungeeignet sind. In Kombination mit anderen nachhaltigen, landwirtschaftlichen Systemen können Waldgärten somit die Produktvielfalt eines Betriebs erhöhen.3

Mit seinen 2.5 ha war der Waldgarten “Ketelbroek” bei seiner Entstehung 2009 der größte Waldgarten Europas.5 Mittlerweile gibt es auch größere Waldgärten, bei denen die kommerzielle Produktion im Mittelpunkt steht. Mit ihren Projekten möchte die Stiftung “Voedselbosbou” zeigen, dass Waldgärten auch wirtschaftlich interessant sind. Sie unterstützt Landwirt:innen dabei, einen Teil ihrer landwirtschaftlichen Flächen Schritt für Schritt in Waldgärten umzuwandeln. Bis zu 20 ha groß können solche Waldgärten werden.5 


Luftaufnahme des Waldgartens „ Ketelbroek” (Foto: Wouter van Eck, 2020)

Waldgärten und Umwelt:

Heute besteht ein Großteil unserer Ernährung aus Feldfrüchten, die in Monokulturen angebaut werden. Für eine ertragreiche Ernte ist der Einsatz von umweltschädlichen Pestiziden und Düngemitteln unerlässlich. Häufiges Pflügen und Befahren der Felder mit schweren Maschinen fördert zusätzlich die Erosion und zerstört Bodenleben und -struktur.6 Diese Art von Landwirtschaft ist weder nachhaltig, noch ist sie den Auswirkungen des Klimawandels gewachsen.

Waldgärten hingegen sind stabile, sich selbst erhaltende Ökosysteme mit einer großen Artenvielfalt. Sie sind eine wichtige Nahrungsquelle für Bestäuber und dienen zahlreichen Tieren als Lebensraum. Pestizide und Düngemittel kommen in Waldgärten nicht zum Einsatz.2 

Auch der Boden wird in Waldgärten kaum gestört.4 Äste und Blätter werden als Mulch-Material verwendet und mit der Zeit am Boden zersetzt. Über mehrere Jahre entsteht so eine dicke Humusschicht.2 Humus spielt eine wichtige Rolle für die Bodenqualität und die Produktion von Nahrungsmitteln.1 Er fördert die Bodenfruchtbarkeit, speichert Wasser und verringert Erosion. Außerdem speichert Humus große Mengen an organischem Kohlenstoff und entzieht der Atmosphäre klimaschädliches Kohlendioxid. Gesunde Böden mit stabilen Humusvorräten sind daher nicht nur wichtig für die Nahrungsmittelproduktion, sondern auch für den Klimaschutz.7 

Waldgärten sind gesunde Ökosysteme, die dem Klimawandel entgegenwirken und gleichzeitig Nahrungsmittel produzieren. Durch ihre Widerstandsfähigkeit können Waldgärten außerdem den Auswirkungen des Klimawandels besser standhalten als die Monokulturen der konventionellen Landwirtschaft.4 

Maronen gedeihen im Waldgarten „ Ketelbroek” nahe der niederländischen Stadt Nijmegen gut. (Foto: Wouter van Eck, 2022)

Waldgarten-Ernährung:

Theoretisch könnten Waldgärten in Zukunft einen großen Teil der konventionellen Landwirtschaft ersetzen und zu einer nachhaltigeren Nahrungsmittelproduktion beitragen. 

Eine „Waldgarten-Ernährung“ unterscheidet sich jedoch von unserer heutigen Ernährung: Für die Produktion von Weizen, Kartoffeln und anderen Feldfrüchten sind Waldgärten nicht geeignet und auch tierische Produkte müssen in anderen landwirtschaftlichen Systemen  erzeugt werden. Dennoch kann ein Großteil unseres täglichen Kalorienbedarfs über Waldgärten abgedeckt werden. Neue Gerichte und Zubereitungsweisen können dabei helfen, zu zeigen, dass eine „Waldgarten-Ernährung“ nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch gesund und lecker ist. 

Zu diesem Zweck arbeitet der Waldgarten “Ketelbroek” mit dem Restaurant „De Nieuwe Winkel“ in Nijmegen zusammen. Mit Produkten aus dem Waldgarten Ketelbroek zaubert Chefkoch Emile van der Staak dort so außergewöhnliche Gerichte wie “Schokoladen”-Mousse auf Esskastanienbasis oder „Esskastanien-Seitan“. 2021 erhielt er dafür gleich 2 Michelin-Sterne: einen Stern für die Qualität des Essens und einen Stern für Nachhaltigkeit.5 

In unseren Breitengraden können Waldgärten zwar nicht unseren gesamten Kalorienbedarf abdecken. Doch wenn wir unsere Essgewohnheiten zumindest ein bisschen umstellen, könnten Waldgärten in Kombination mit anderen nachhaltigen Anbausystemen in Zukunft ein wichtiger Baustein für ein zukunftsfähiges Nahrungsmittelsystem sein.

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