Kann der Einfluss von Aktionären die Abholzung in Brasilien stoppen?
Die Erde zuerst

Kann der Einfluss von Aktionären die Abholzung in Brasilien stoppen?

Die Ausweitung der Viehwirtschaft ist eine der treibenden Kräfte hinter der Abholzung von Tropenwäldern. Die Frage ist, ob Investoren dabei helfen können, diese verhängnisvolle Verknüpfung zu aufzulösen.

Mit mehr als 2,5 Millionen Viehbauern ist Brasilien weltweit der größte Exporteur von Rindfleisch. Doch der Schlüsselsektor der nationalen Wirtschaft hat auch seine Schattenseiten: Angesichts der Tatsache, dass 20 Prozent der rohstoffgetriebenen Abholzung der Tropenwälder auf die brasilianische Viehwirtschaft zurückzuführen sind, ist Brasilien zugleich auch die weltweit größte Kraft hinter dem globalen Waldverlust – durch die Rodung großer Waldgebiete gelangen jährlich ca. 540 Millionen Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre.1

Die Schuld an dieser Zerstörung wird in der Regel den Bauern und kriminellen Gruppierungen zugeschoben, die die Rodungen (im Vorfeld der Anlage des Weidelands) zugunsten eigener Profite durchführen. 

Öffentliche Mittel: Finanzhilfen für brasilianische Viehwirtschaftsbetriebe

Rein historisch gesehen, hat die brasilianische Regierung den Viehwirtschaftssektor immer wieder mit substanziellen Finanzhilfen unterstützt. Einer kürzlichen Studie des Nachhaltigkeits-Think-Tanks Instituto Escolhas zufolge, hat der brasilianische Viehwirtschaftssektor zwischen 2008 und 201 2 27,4 Milliarden Euro in Form von Fördermitteln, Anreizen und Schuldenerlassen erhalten 2. In manchen Jahren hat dieser Bereich sogar mehr aus der Staatskasse eingenomme,n als er selbst in Form von Steuern eingezahlt hat.

Vor Kurzem war die brasilianische Staatsbank noch in einigen der größten Rindfleisch-Produktionsunternehmen des Landes – unter anderem JBS und Marfrig, die 37 % der brasilianischen Rindfleischexporte bedienen – als Großinvestor aktiv.3 Im Frühjahr 2020 veräußerte die brasilianische Entwicklungsbank Marfrig-Anteile im Wert von 425 Millionen Euro und plant außerdem, ihre Anteile an JBS (21 %) zu verkaufen.4 Mit dem Rückzug der Regierung aus dem brasilianischen Rindfleischgeschäft können nun Privatinvestoren darin einsteigen.

Können Privatinvestoren die Viehhaltung nachhaltiger gestalten?

Laut dem Non-Profit-Beratungsunternehmen Chain Reaction Research, das auf Risikoanalysen im Bereich Nachhaltigkeit spezialisiert ist, ist damit ein Platz für “kritische” Investoren frei geworden, die mit Korruption und illegaler Abholzung in Verbindung gebracht werden können.4 Andere wiederum sehen in dieser neuen Welle des privaten Investments eine Chance, das Problem der Entwaldung in Angriff zu nehmen und damit ein gutes Beispiel für den Einfluss von Aktionären zu liefern: Wenn nämlich neue Investoren – einschließlich europäischer und amerikanischer Banken und Pensionsfonds – die Abholzung als finanzielles Risiko und potenziell rufschädigendes Handeln einstufen, können sie die betroffenen Unternehmen dazu drängen, ihre Versorgungsketten zu bereinigen.

Der Einfluss von Aktionären: Ein neues Modell

Professor Sandra Waddock vom Galligan-Lehrstuhl für Strategie (Galligan Chair of Strategy) an der Boston College School of Management blickt auf jahrzehntelange Erfahrung im Bereich nachhaltiges Geschäft zurück. Ihr zufolge hat es in der Vergangenheit „mehrere erfolgreiche Fälle durch den Einfluss von  Investoren” gegeben, z.B. bei Themen wie Eigenkapitalpolitik in Unternehmen oder dem frühen Kapitalentzug von Südafrika zur Zeit des Apartheid-Regimes, um deren Herrschaft Einhalt zu gebieten.“ Kann dieses Model heute auch auf die Landwirtschaft angewendet werden?

Beobachtung der Auswirkungen der brasilianischen Landwirtschaft auf die Umwelt

Bunge, einer der größten Sojahändler Brasiliens, nahm den Aktivismus von Investoren zum Anlass, sich zu einem Stopp der Entwaldung in der Cerrado-Region – eine riesige Strauchlandschaft, die zugleich auch eines der Hauptgebiete der Sojaexpansion darstellt 5 – zu verpflichten.

Leider ist es aber oft so, dass die meisten Investoren und Fondsmanager gar nicht wissen, wie nachhaltig die Unternehmen, in die sie investieren, im Alltag sind. Einer der Gründe dafür liegt im Mangel an standardisierten Daten zur Umwelteinwirkung der Rindfleisch produzierenden Unternehmen.

Angesichts der nun in Beobachtungssysteme investierten 2,55 Billionen Euro, die die Unternehmen anhand ihrer Umwelt-, sozialen und Führungsindikatoren (ESG) bewerten, ändert sich das aber zurzeit. Allerdings wird die Qualität der gelieferten Daten oft als unzuverlässig kritisiert, da diese teilweise auf den vermeintlichen Umweltrichtlinien der Unternehmen beruhen und daher nicht notwendigerweise die tatsächliche Handlungsweise dieser Unternehmen widerspiegeln.6 

Positiver Umweltdruck durch private Investoren

Im Juli 2020 drohten sieben große europäische Investmentfirmen damit, ihre Mittel aus Brasilien abzuziehen – einschließlich Investitionen in den Viehwirtschaftssektor –, falls die Entwaldung nicht unter Kontrolle gebracht würde. Tatsächlich hat Nordea Asset Management (eine 230 Milliarden schwere Investmentfirma) schon jetzt ihre Anteile an JBS veräußert 7, was wiederum 38 brasilianische Unternehmen, einschließlich Marfrig, dazu veranlasst hat, von der brasilianischen Regierung eine verbesserte Durchsetzung existierender Richtlinien zur Eindämmung der Entwaldung zu fordern. Zwar müssen diese Unternehmen ihre Bemühungen, der Entwaldung in ihren eigenen Lieferketten entgegenzuwirken, verstärken, doch die Firmen argumentieren auch, dass sie dies nicht alleine leisten können, und dass die Regierung bei der Vermeidung zur Entwaldung ebenfalls eine wichtige Rolle spiele.8

Wird das aber tatsächlich zu Veränderungen führen? „Der Aktivismus von Investoren ist ein Teil des Bildes,“ sagt Professor Sandra Waddock, „doch diese Art von Einflussnahme allein reicht nicht aus, um den notwendigen Wandel herbeizuführen. Die politischen Entscheidungsträger müssen mit Mandaten dafür sorgen, dass die notwendigen Änderungen in der Unternehmenskultur verankert werden. Neben sich wandelnden Industriestandards und -normen ist die mediale Aufmerksamkeit ebenfalls ein wichtiger Faktor – genauso wie der Konkurrenzdruck, unter den die Nachhaltigkeit fordernden Kunden die Unternehmen setzen.

Glaubt ihr, dass diese Unternehmen einen echten Unterschied machen und die Abholzung in Brasilien eindämmen können? Schreibt uns gerne unten einen Kommentar!

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