In der Franzstraße in Aachen hängt Weihnachten in der Luft. Der Duft dringt aus der Backstube der Printenbäckerei Klein. Seit über 100 Jahren werden hier nach altem Familienrezept Printen gebacken. Das würzig-süße Gebäck wird gern mit Lebkuchen verglichen, dabei hat es ganz andere Zutaten.
Kleine Lichter blitzen im Schaufenster der Printenbäckerei Klein in Aachen. Weihnachtskugeln und Sterne baumeln von der Decke und ein verführerischer Duft dringt in die Nase. Es riecht nach Zucker, Zimt, Nelken und Kardamom – das perfekte Weihnachtsparfum. Der Geruch dringt aus der Backstube, in der seit sechs Uhr in der Früh gebacken wird. In den Öfen drehen sich Bleche voll jenem Gebäck, das für den weihnachtlichen Duft verantwortlich ist: Printen.
Seit 1912 wird in der Bäckerei Klein das würzig-süße Gebäck gebacken, das besonders gern in der Weihnachtszeit verzehrt wird und durch seine Gewürzmischung an Lebkuchen erinnert. Abgesehen von den Gewürzen hätten Printen und Lebkuchen jedoch kaum etwas gemeinsam, sagt Andreas Klein, der die Bäckerei heute in vierter Generation führt. Einzigartig mache die Printe ihre Konsistenz. Printen sind hart, das Gebäck knuspert bei jedem Biss. Grund dafür ist der in ihnen enthaltene Zuckerrübensirup – eine Zutat, die ursprünglich aus der Not heraus verwendet wurde. Für die Historie der Aachener Printe gebe es wenig Belege, sagt Klein. Selbst im Stadtarchiv sei er nicht weitergekommen. Doch Klein kennt die Geschichte, die sich in seiner Familie und der Stadt erzählt wird.
So hat die Printe ihren Ursprung wohl in Belgien. Vor über 350 Jahren hätten Bronzegießer aus dem belgischen Dinant in ihren Brotdosen ein Gebäck nach Aachen gebracht, dessen weicher Teig in aufwendig geschnitzte Holzformen, sogenannte Model, gedrückt wurde. Durch diesen Arbeitsschritt erhielten die Printen ihren Namen. “Prenten” heißt im Niederländischen so viel wie “prägen” oder “drucken”. Auch in der Aachener Mundart “Öcher Platt” heißt die Printe “Prente”.
Als Napoleon 1806 die Kontinentalsperre verhängte, standen die Aachener Printenbäcker vor einer Herausforderung. Importierter Zucker und Honig seien nicht länger verfügbar gewesen, sagt Klein. “So griffen die Bäcker auf die heimische Zuckerrübe zurück. Ihr Sirup machte den Teig jedoch zäher und schwerer formbar. Daher verzichteten die Bäcker auf die Model, rollten den Teig lediglich zu Platten und schnitten ihn zu”, vervollständigt Klein die Entstehungsgeschichte der “Aachener Printe”.
Die Grundzutaten für Printen sind simpel: Mehl, Gewürze und drei Zuckerarten
Im hinteren Teil der Backstube stehen große Töpfe, in denen Zuckerrübensirup erwärmt wird. Hat er 80 Grad erreicht, wird er in eine große Knetmaschine geschüttet. Dazu kommen die trockenen Zutaten. Ein Knethaken gräbt sich durch den massiven Teig und vermengt Sirup, Weizenmehl, Kandiszucker und Farinzucker mit den Gewürzen Anis, Zimt, Nelken, Koriander, Piment und Kardamom. Die Grundzutaten für Printen sind simpel: Mehl, Gewürze und drei Zuckerarten. Das Verhältnis dieser Zutaten macht jedoch den unvergleichlichen Geschmack aus. Das Rezept, nach dem in der Bäckerei Klein Printen gebacken werden, ist ein Familiengeheimnis. Nicht einmal die Mitarbeitenden kennen es. Entwickelt wurde es von Andreas Kleins Urgroßvater.
War das Familienunternehmen vorerst eine normale Bäckerei, entschied Andreas Kleins Vater um die Jahrhundertwende, dass in der hauseigenen Backstube fortan nur noch Printen gebacken werden sollten. Ein mutiger Schritt, sind Printen doch vor allem ein Saisongebäck. Jedoch knuspern es wahre Liebhaber und Touristen auch außerhalb der Weihnachtszeit. Aachen ist schließlich bekannt für seine Printen. Gemahlen werden Printen auch gern in Soßen für deftige Fleischgerichte verwendet. Seit 1997 dürfen ausschließlich Printen, die in Aachen selbst und einer handvoll Städte um Aachen herum hergestellt werden “Aachener Printe” heißen. Sie ist ein geografisch geschütztes Produkt.1
Hat der Knethaken seine Arbeit getan, ruht der Teig mehrere Tage, bevor er mit Natron erneut weich geknetet wird. Anschließend kommt die feste Masse in die Printenmaschine, die sie in die gewünschte Form presst. Die Walzen seien eigens für die Bäckerei hergestellt worden, erklärt Klein. Es gibt den Aachener Dom, die Moppe, ein mundgerechtes Quadrat, den Konfekt, etwas kleiner als die Moppe, Formen für Printillos, eine längliche Printe, und traditionelle Schnittprinten und Printenplatten. Ein Mitarbeiter presst den Teig in die Maschine, ein weiterer fängt die Printen am Ende eines kurzen Laufbandes ab, ordnet sie auf Blechen an und schiebt sie auf einen Etagenwagen.
Vereinzelt werden die Printen in Nüssen gedrückt. Domprinten und Moppen werden in Handarbeit mit Mandelhälften verziert. Die Nüsse werden zuvor in Wasser eingelegt. So werden sie beim Backen nicht zu trocken. Schließlich werden die Teiglinge in Etagenwägen in den 200 Grad heißen Ofen geschoben und je nach Größe bis zu 20 Minuten gebacken. Wird die Printe anschließend nicht mit Schokolade oder Zucker überzogen, wird sie nach dem Backen mit einer Mischung aus geröstetem Kartoffelmehl und Wasser glasiert. Die Glasur ist geschmacksneutral, sorgt jedoch für einen schönen Glanz.
Erst hart, dann weich
Nachdem die Printen abgekühlt sind, sind sie durch das fehlende Fett und den karamellisierten Zucker, hart – wie die Original Aachener Printe auch sein soll. Es gibt jedoch auch Weichprinten. Ihr Herstellungsprozess ist derselbe wie bei Hartprinten. Nach dem Backen werden sie jedoch zusätzlich mehrere Tage in Kammern mit höherer Luftfeuchtigkeit gelagert. Der Zucker nimmt Feuchtigkeit auf, die Printe wird weich.
Hartprinten können also durch eine feuchte Lagerung, die auch zu Hause, beispielsweise durch eine Apfelhälfte in der Plätzchenbox, erreicht werden kann, zu Weichprinten werden. Doch nicht jede Weichprinte kann durch trockene Lagerung wieder zur Hartprinte werden. Grund dafür ist, dass die Weichprinten meist komplett mit Schokolade überzogen werden, um die Feuchtigkeit im Teig zu halten. Soll die Printe hart bleiben, sollte sie trocken gelagert werden. Lichtgeschützt und kühl verstaut sind Printen bis zu neun Monate haltbar.
So kurz vor Weihnachten herrscht geschäftiges Treiben in der Backstube. Etagenwägen voll Printen werden in die Öfen hinein und einige Minuten später wieder herausgeschoben. Unter dem Jahr laufen die Öfen nur an ein bis zwei Tage heiß. Doch seit August wird an fünf Tagen pro Woche von frühmorgens bis in den späten Nachmittag gebacken. Man hört, wie frische Printen vom Blech geklopft werden, bevor sie verpackt und teilweise in die ganze Welt versendet werden. Denn wer es nicht nach Aachen schafft, kann sich das Traditionsgebäck der Kleins auch zuschicken lassen. Ein Adventskalender hätte sich sogar mal auf den Weg nach Neuseeland gemacht.