Die Klimabilanz von regionalen und importierten Äpfeln

Die Klimabilanz von regionalen und importierten Äpfeln

Der Herbst steht vor der Tür. Die Blätter verfärben sich, man sehnt sich nach gemütlichen Stunden vor dem Kamin und einer heißen Tasse Tee. Im Herbst ist auch die Zeit der Apfelernte. Zahlreiche Sorten warten darauf, von den Bäumen geholt, direkt verzehrt oder weiterverarbeitet zu werden, bis die Bäume leergepflückt sind.

Moment…Wenn die Äpfel schon im Herbst gepflückt, im Juli aber immer noch mit der Aufschrift „aus der Region“ im Supermarkt angepriesen werden, stellt sich die Frage nach dem „Wie?“ Denn wer die Früchte selbst zuhause in der Obstschale liegen hat weiß, dass sie meist nach einigen Tagen zunehmend mehliger werden.
Damit wir so lange wie möglich mit deutschen Äpfeln versorgt werden, sind komplexe Lagermethoden erforderlich. Dabei werden die Früchte unter energieaufwändigen Verfahren in einen künstlichen Winterschlaf versetzt oder sogar „vergast“.
Neben deutschen Äpfeln finden sich in der Obstabteilung auch neuseeländische oder südafrikanische Äpfel, die mit der Begründung „regional ist doch viel klimafreundlicher“ gerne unberührt bleiben. Unter gewissen Umständen ist das aber gar nicht so. Welche Faktoren wirken auf die Klimabilanz von deutschen und neuseeländischen Äpfeln, und wie bleiben Äpfel überhaupt monatelang frisch und knackig?

Die Apfelernte:

Anfang August beginnt die Ernte der so genannten „Sommeräpfel“. Dazu zählt der weiße Klarapfel oder die Sorte James Grieve9. Die sauren, grünen Früchte sind nicht lagerfähig und sollten schnell verarbeitet werden. Ab September bis in den Oktober hinein ist dann die allgemeine Erntezeit der beliebten Sorten Wellant, Gala oder Granny Smith, um nur einige der rund 2000 in Deutschland wachsenden Apfelsorten zu nennen8. Direkt vom Baum in den Laden geht es aber nicht unbedingt: Sorten wie Elstar, Boskoop oder Topaz schmecken erst nachdem sie einige Zeit gelagert wurden12. Diese Äpfel werden in unreifem Zustand geerntet und gewinnen mit der Zeit an Süße dazu. 

Die Lagerung:

Für die lagerfähigen Sorten geht es nach der Ernte in den Winterschlaf. In so genannten CA-Lagern wird der Reifeprozess der Äpfel extrem verlangsamt. CA bedeutet „controlled atmosphere“, und wie der Name vermuten lässt, lagern die Äpfel in einer für sie optimierten Atmosphäre, in der sie möglichst lange frisch bleiben. Die Temperatur in diesen Lagern liegt knapp über dem Gefrierpunkt zwischen 1-4° Celsius2. Der Sauerstoffgehalt wird der Luft bis auf ca. 1% entzogen. Der Stickstoffgehalt macht ungefähr 97% der Atmosphäre aus, und auch der Anteil an Kohlenstoffdioxid steigt auf über 1%10,13.

Eine hohe Luftfeuchtigkeit verhindert das Austrocknen der Früchte. Wenn die frisch gekauften Äpfel zu Hause in der Obstschale also nach einigen Tagen weich werden, ist das kein Wunder: Unsere Atmosphäre besteht zu 78% aus Stickstoff, zu 21% Sauerstoff und nur zu 0,034% aus Kohlenstoffdioxid1. Und je nach persönlichem Wohlbefinden liegt die Raumtemperatur bei durchschnittlich 20° Celsius4,5. Die monatelange CA-Lagerung erfordert entsprechend viel Energie. Wie viel genau, das wird später aufgeklärt. 

Eine weitere Methode den Reifeprozesses der Äpfel zu verlangsamen lautet „SmartFresh“3, und an dieser Stelle bedarf es eines kleinen Exkurses in die Chemie: Dass Äpfel reifen, liegt an ihrem Botenstoff Ethylen. Das Ethylen setzt sich an bestimmte Rezeptoren in den Früchten und steuert ihren Reifeprozess. Und an diesen Rezeptoren kommt nun SmartFresh ins Spiel: SmartFresh basiert auf dem Molekül 1-MCP (1-Methylcyclopropen), das Ethylen von seiner Struktur sehr ähnelt, also auch an die Rezeptoren der Äpfel andocken kann. Allerdings blockiert es die Ethylen-Rezeptoren, sodass der Reifeprozess aufgehalten wird3,6. Oft wird die SmartFresh Methode in Zusammenhang mit der CA-Lagerung angewendet, um die längst mögliche Frische zu erreichen3.

 Übrigens: Zu riechen, sehen oder schmecken, ob ein Apfel mit 1-MCP behandelt wurde, ist nicht möglich - das Molekül ist Geschmack- und Geruchlos. Bei Bio-Äpfeln wird auf diese Methode jedoch verzichtet14

Wer seinen Blick im Supermarkt noch weiter durch die Reihen schweifen lässt, und einen Blick auf die Herkunft der Äpfel wirft, stutzt vielleicht: Neuseeland? Chile? Südafrika? Warum importiert Deutschland diese saftigen Früchte um die halbe Welt, obwohl sie doch auch in Deutschland gut gelagert werden können? Dafür gibt es mehrere Gründe.

Neuseeländische Äpfel schiffen nach Deutschland:

Die Apfelernte in Neuseeland ist im Frühling. Auf der anderen Seite der Welt tragen die Bäume mehr Früchte, rund 90 Tonnen pro Hektar und das sind mehr als doppelt so viel wie in Deutschland11. Dadurch sinken die Produktionskosten, was zu einem günstigeren Einkaufspreis führt und somit einen lukrativen Aspekt für den Import darstellt. Außerdem bieten Markthändler*innen und Supermärkte ihren Kundinnen und Kunden gerne saisonale Ware an, und die deutschen Äpfel haben im Frühling immerhin schon ein halbes Jahr Lagerung auf der Schale. Außerdem: Je länger die Äpfel lagern, desto eher setzt auch der Reifeprozess wieder ein, ein ewiges Frischhalten ist trotz der modernen Methoden eben auch nicht möglich. 

Die Klimabilanz gegenübergestellt:

Die große Frage ist letztendlich die Auswirkung auf die Klimabilanz, was ist umweltfreundlicher? Wenn ein deutscher Apfel monatelang unter extrem künstlich erzeugter Atmosphäre lagert oder wenn er vier Wochen rund 22.000 Kilometer auf dem Meer hierhin schifft? 

Dieser Frage ist Dr. Michael Blanke genauer nachgegangen. Der ehemalige Dozent an der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn hat verschiedene Einflüsse auf den Energieaufwand des „Apfelkreislaufes“ zusammengerechnet und für Deutschland und Neuseeland gegenübergestellt7

Anbau

Für Deutschland berechnet Blanke den Anbau auf Apfelplantagen mit 1,0 Megajoule/kg Äpfel und für Neuseeland mit 0,86 MJ/kg Äpfel. Für Neuseeland ergibt sich ein geringerer Energieaufwand, weil die Apfelbäume dort mehr Früchte tragen. 

Transport

Deutsche Äpfel kommen vom Feld ins CA-Lager, anschließend in den Großmarkt und von dort in die Supermärkte. Diese Wege verbrauchen für 1 Kilo Äpfel ungefähr 1,13 Megajoule. Der Wert variiert natürlich je nach Entfernung zum CA-Lager oder zum Supermarkt.
Die neuseeländischen Früchte werden vom Feld zum Hafen gebracht und nach der Überfahrt von dort in den Einzelhandel. Für den 22.000 Kilometer langen Schiffstransport rechnet Blanke mit einem Energieaufwand von 2,8 Megajoule, hinzu kommen die LKW-Transporte in Neuseeland und Deutschland, die mit 1,41 MJ/kg in die Rechnung eingehen. 

CA-Lagerung

Zur Berechnung des Energieaufwandes der CA-Lagerung geht Blanke von einer 6 monatigen Lagerzeit aus. Dafür entsteht ein Aufwand von 0,96 MJ/kg Äpfel. Diese Position entfällt für die neuseeländische Ware.

Ergebnis

Aus dieser Rechnung ergibt sich zunächst, dass gelagerte deutsche Äpfel nach einem halben Jahr eine immer noch bessere Klimabilanz aufweisen als die importierten. Allerdings verändert sich diese Rechnung, denn je länger die deutschen Äpfel im CA-Lager sind, desto mehr steigt je nach erzeugter Atmosphäre der exakte Energieaufwand. Werden die Äpfel vorher noch der SmartFresh Methode unterzogen, wo sie in riesigen Wasserbecken liegen und mit 1-MCP behandelt werden, erhöht sich auch hier nochmal der Wert auf deutscher Seite. 

Wie soll man also handeln, mit welchem Verhalten reagiert man klimafreundlicher?

Ganz eindeutig ist die Frage nicht zu beantworten, da letztendlich auch noch die Verbraucher*innen eine Mitverantwortung tragen, und es eine Rolle spielt, ob die Äpfel mit dem Fahrrad oder SUV transportiert werden.
Grundsätzlich empfiehlt sich aber die Kombination aus regional UND saisonal. So vermeidet man CO2-lastigen Transport und komplexe Lager- und Behandlungsmethoden. Außerdem ist es doch spannend, etwas Abwechslung in den Lebensmittelkonsum zu bringen und so freut man sich umso mehr, wenn das lang ersehnte Lieblingsobst ENDLICH wieder frisch vom Baum oder vom Feld des Bauers aus der Region erhältlich ist.

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