Können Schweine helfen, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren?
Die Erde zuerst

Können Schweine helfen, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren?

Lebensmittelverschwendung ist eine Schweinerei! Vielleicht sogar wortwörtlich? Schweine sind die ultimativen Recycling-Superhelden unserer Erde. Was die meisten anderen Tiere verschmähen würden, ist oftmals ein gefundenes Fressen für die Borstentiere. Wenn man einige Sicherheitsmaßnahmen einhält, dann können diese tierischen Superhelden im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung hervorragend eingesetzt werden.

Rund 30% aller produzierten Lebensmittel gehen entweder während der Produktion oder Weiterverarbeitung verloren, oder enden im Müll der Supermärkte und Haushalte. Wenn Lebensmittel einfach weggeworfen werden, dann tritt man nicht nur das Essen mit Füßen: Auch die investierte Arbeit, das verbrauchte Wasser und Land sowie die Nährstoffe werden verschwendet. Viel nachhaltiger wäre es daher, die Lebensmittel in der Produktionskette zu belassen und dort wiederzuverwenden. 1

Aber wie genau können wir Lebensmittel retten, die für Menschen als nicht mehr genießbar deklariert wurden? Die umweltfreundlichste Lösung könnte sein, diese verdorbenen Lebensmittel  für die Fütterung von landwirtschaftlichen Nutztieren zu verwenden.

Können Tiere unbedenklich Lebensmittel futtern, die wir wegwerfen?

Nur weil Lebensmittel nicht mehr für den menschlichen Verzehr in Frage kommen, heißt das nicht, dass sie nicht unbedenklich und gesund für Tiere sein könnten. Rund 86% des gesamten Viehfuttermittelbestands sind ohnehin nicht für den menschlichen Verzehr  geeignet. 2 Nebenprodukte der Landwirtschaft wie zum Beispiel Bananenblätter oder Zuckerrohrspitzen, oder Nebenprodukte aus der Lebensmittelverarbeitung wie Ölsaatenkuchen werden weltweit von Nutzvieh in großem Umfang verzehrt. 2 Diese Produkte entstammen gewöhnlich einer einzigen Quelle und sind nicht mit weiteren Lebensmitteln vermischt, deren Verzehr für Tiere möglicherweise gesundheitsschädlich sein könnte. 

Überschüssige Lebensmittel aus privaten Haushalten, Restaurants oder auch Supermärkten dagegen können aus mehreren Komponenten bestehen. Dadurch wird es zu einer Herausforderung, die wiederverwertbaren Bestandteile herauszufiltern. Trotzdem können einige Allesfresser unter den Tieren wie Geflügel, Fische oder Schweine potenzielle Abnehmer darstellen.

Was fressen Schweine?

Besonders Schweine sind perfekte Resteverwerter.3 Im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Nutztieren können Schweine einen sehr breit gefächerten Speiseplan aus Lebensmittelresten und Nebenprodukten der menschlichen Nahrung vertilgen.4,5 Die heutigen Schweine stammen von Wildschweinen ab, die in der Nähe von menschlichen Siedlungen auf Nahrungssuche waren.3 Im Laufe der Zeit haben zahlreiche Kulturen die Borstentiere domestiziert und sie sozusagen als “Resteverwerter” gehalten. Das Verdauungssystem eines Schweines hat sich daher so entwickelt, dass es mit allem zurechtkommt: von Pflanzen bis Fleisch, es gibt nichts, was ein Schwein verschmäht.6,7

Entsorgte Lebensmittel als Schweinefutter: Zu Risiken und Nebenwirkungen … ?

Die robuste Natur des Schweins bedeutet nicht, dass sie immun gegenüber Krankheiten sind, die von Lebensmittel übertragen werden können. Die heutigen Hausschweine sind das Ergebnis von Züchtungen, bei denen das widerstandsfähige Wesen der Wildschweine gegen schnelleres Wachstum und eine bessere Futterverwertung eingetauscht wurden.3 Außerdem sind die Hintergründe der Lebensmittelverschwendung ebenso komplex wie die Lebensmittelproduktion selbst. Was wir wegwerfen, ist längst nicht mehr eine unproblematische  Mischung aus Schalen und Abfallresten aus nachvollziehbarer Herkunft. 

Experten sind sich jedoch einig, dass aus Küchenabfällen durch Erhitzung und dem Zusatz bestimmter Säuerungsmittel ein unbedenkliches, nahrhaftes Futtermittel für Schweine hergestellt werden kann.1 Dieser Prozess ist ein wichtiger Schritt, der mögliche Pathogene abtötet. Wenn dabei geschlampt und unvorsichtig gearbeitet wird, kann das ernsthafte Folgen haben: 2001 zum Beispiel konnte sich durch verseuchte Futtermittel die Maul- und Klauenseuche in Europa verbreiten, die schätzungsweise rund 12 Milliarden Euro Schaden verursacht hat.8 Die Seuche konnte bekanntermaßen ausbrechen, weil einige Landwirte in England unbehandelte Lebensmittelreste illegal an ihre Schweine verfüttert hatten.3 Auch andere Krankheiten, zum Beispiel die Afrikanische Schweinepest oder der Rinderwahnsinn, können über verseuchte Lebensmittel verbreitet werden. Kein Wunder also, dass die Verfütterung von Lebensmittelabfällen innerhalb der EU streng  reglementiert wird!

Schweinefutter und Lebensmittelverschwendung

Neben der Sicherheit gibt es noch einen weiteren Punkt, der unbedingt beachtet werden muss: Erfüllen die Lebensmittelabfälle die Voraussetzungen für eine gesunde, ausgewogene Ernährung der Schweine? Oftmals sind entsorgte Lebensmittel nämlich keine ausreichende Quelle für alle notwendigen Nährstoffe, die ein Schwein braucht; besonders dann nicht, wenn es sich um auf schnelles Wachstum gezüchtete Rassen handelt. Es gibt jedoch einige vielversprechende Lösungsansätze für dieses Problems: Betriebe, die Schweine mit Lebensmittelabfällen füttern, müssen Lebensmittelreste von einer Vielzahl von Lebensmittelproduzenten beziehen, damit eine breitere und ausreichende Grundlage an Nährstoffen gewährleistet kann.3 Oft werden Küchenabfälle auch mit konventionellen Futtermittelzutaten wie Weizen oder Biertreber gemischt, bevor sie an Schweine verfüttert werden.3 Diese Mischungen werden von Spezialisten genau unter die Lupe genommen: Zuerst teilen sie die überschüssigen Lebensmittel in Nährstoffkategorien auf und passen zum Schluss das so gewonnene Tierfutter den Ernährungsbedürfnissen der Schweine optimal an.3

Was heißt das also für die Zukunft?

Trotz aller bekannten Risiken und Problemen ist die Umwandlung von Lebensmittelabfällen und -resten ein Schritt in die richtige Richtung. In Europa werden jedes Jahr 88 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt – mindestens 14 Millionen Tonnen davon wären für die Schweinefütterung geeignet, wenn die legalen Voraussetzungen dafür geschaffen würden. Auf diesem Weg könnte außerdem auch die Methanemission durch die Lebensmittelverschwendung gesenkt werden.

Weitere mögliche Vorteile: Landwirte müssten zum Beispiel weniger Geld in den Kauf von Schweinefutter investieren, sie bräuchten weniger Fläche für den eigenen Anbau von Futtermitteln, die Kohlenstoffemissionen durch die Herstellung und den Transport von Tierfutter könnten gesenkt werden. Außerdem könnte die Verfütterung von Lebensmittelabfällen eine Rolle bei der Reduzierung von Waldrodungen für den Anbau von Soja (ein beliebter, da günstiger Bestandteil von Futtermitteln) spielen. Möglicherweise verbessert der Einsatz von entsorgten Lebensmitteln auch die globale Lebensmittelsicherheit für die Bevölkerung, wenn in Europa der Import von günstigen Futtermitteln reduziert und dadurch der Anbau zur Versorgung der Bevölkerung in den exportierenden Länder genutzt werden könnte. 3

In manchen Ländern wird die Verwertung von Lebensmittelresten als Tierfutter bereits erfolgreich eingesetzt. Japan leistet auf diesem Gebiet echte Pionierarbeit! 3 Mehr als 50% der normalerweise entsorgten Lebensmittel können dank einer entsprechenden Regelung durch die Politik und eines Zertifizierungsprozesses als Futtermittel für Schweine wiederverwendet werden. 10 Für dieses “Öko-Tierfutter” sammelt die Landwirtschaft überschüssige Lebensmittel von Caterern, Supermärkten und Lebensmittelherstellern ein. Dann werden sie zu Betrieben transportiert, die streng regulierte Maßnahmen treffen, um mögliche pathogene Keime und Krankheitserreger abzutöten. Trotz des damit verbundenen Aufwands kostet dieses umweltfreundliche Tierfutter nur knapp die Hälfte von konventionellem Schweinefutter. 12 Japanische Endverbraucher schätzen die Fleischprodukte von Schweinen, die mit dem “Öko-Futter” aufgezogen wurden, aufgrund der guten Ökobilanz sogar als besonders qualitativ hochwertig! 12

Was denkst du über Schweinefleisch von Tieren, die mit Lebensmittelresten gefüttert wurden? Wir freuen uns über einen Kommentar!

Hinweise
  1. Papargyropoulou et al. (2014). “The food waste hierarchy as a framework for the management of food surplus and food waste.” Accessed 02 July 2020.
  2. Mottet et al. (2017). “Livestock: On our plates or eating at our table? A new analysis of the feed/food debate.” Accessed July 04 2020.
  3. Luyckx et al. (2019). “Technical guidelines animal feed: The safety, environmental and economic aspects of feeding treated surplus food to omnivorous livestock.”
  4. McDonald et al. “Animal Nutrition. 7th ed.” Accessed 01 July 2020.
  5. Van Hal, O et al. 2019. “Upcycling Food Leftovers and Grass Resources through Livestock: Impact of Livestock System and Productivity”. Accessed 05 July 2020.
  6. Nemeth (1995). “On Pigs in Subsistence Agriculture”. Accessed 06 July 2020.
  7. Sauer (1972).” Seeds, Spades, Hearths, and Herds: The Domestication of Animals and Foodstuffs”. Accessed 02 July 2020.
  8. “Preventing Foot and Mouth Disease in the European Union.’ European Food Safety Authority. Accessed 02 July 2020.
  9. “Food Waste”. European Commission. Accessed 04 July 2020.
  10. “Livestock Solutions for Climate Change”. Food and Agriculture Organisation of the United Nations. Accessed 06 July 2020.
  11. Takahashi et al.(2012). “Effects of Feeding Level of Eco-Feed Mainly Composed of Bread from Box Lunch Factory on Pig Performance, Carcass Characteristics and Pork Quality. Accessed 04 July 2020.
  12. Kurishima et al. (2011). “The Effect of CO2 Information Labelling for the Pork Produced with Feed Made from Food Residuals”. Accessed 06 July 2020.

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