Fisch? Am besten vom Land!
Die Zukunft

Fisch? Am besten vom Land!

Seit Jahren wächst der Hunger nach Lachs. Der stammt meist aus offenen Netzkäfigen im Meer, mit oft schlimmen Folgen für Umwelt und Verbraucher. Es gibt Alternativen.

Bunte Fischerboote liegen am Quai und schaukeln in den Wellen der Nordsee. Ihr Fang landet in den Hallen großer Verarbeiter, vor denen Kühllaster mit brummenden Aggregaten warten. Auf den ersten Blick prägt die Fischerei den Hafen von Hirtshals am Skagerag, im Norden Dänemarks. Nur wenige Hundert Meter von den Kuttern entfernt arbeitet jedoch eines der innovativsten Unternehmen der Branche. In einem geschlossenen Kreislaufsystem züchtet die Firma Danish Salmon Lachse an Land.

„Wir kontrollieren die Fische täglich.“ Arndt von Danwitz knipst seine Stirnlampe an. Mit leichten Kopfbewegungen leuchtet er die gelöcherten Aluboxen ab, die in einem langen Becken stehen, durch das kaltes Wasser strömt. Kalt ist es auch in dem dunklen Raum. „So ahmen wir die Natur so gut wie möglich nach“, sagt der Produktionsleiter. Das heißt auf dieser Station: einen nordischen Gebirgsbach im Winter. Etwa 15 Millimeter lang und sehr dünn sind die Fische. Sie sind erst vor drei Wochen geschlüpft. In dieser Phase ihres Lebens liegen sie meist still im Kiesbett. Schlachtreif sind sie erst in zwei Jahren. “Lachzucht ist etwas für geduldige Menschen.“ Arndt von Danwitz lächelt.


Die Tanks werden mit einer Lampe überprüft (Foto: Jörg Böthling) 

Weltweit wird immer mehr Lachs gegessen. Alleine 2021 ist der Verbrauch um 13 % gestiegen. Die EU und Großbritannien waren mit 1,28 Millionen Tonnen der größte Markt. Nur noch ein Fünftel des weltweiten Verbrauchs von über fünf Millionen Tonnen stammt aus wilden Beständen. Der meiste Zuchtlachs wächst in offenen Netzkäfigen vor den Küsten Norwegens, Chiles oder Großbritanniens. Aber auch Schottland, Island, Russland oder die USA betreiben Lachszucht nach dieser Methode. Die Folgen: Häufig massiver Einsatz von Medikamenten, Belastung der Ökosysteme durch Fäkalien und Futterreste, ausufernder Schädlingsbefall, hohe Mortalität sowie die Gefährdung der Wildbestände.

Kaum Rückstände

„Wir dagegen räumen hinter uns auf.“ Arndt von Danwitz lächelt hinter seinem braunen Vollbart. Danish Salmon verfügt über ein geschlossenes Wassersystem mit biologischer Reinigung. Alle 40 Minuten wird das Wasser aus allen 48 Becken durch die Reinigung gepumpt. Eine Trommel trennt Fäkalien und Futterreste ab. Eine nahe gelegene Biogasanlage produziert daraus Ökostrom, Bio-Erdgas und Dünger. Die gelösten Stoffe in dem Wasser der Zuchtbecken, wie Urin und Ammonium, bauen Bakterien ab. Zusätzlich reichert die Anlage das Wasser mit Sauerstoff an. „Wir entfernen so 80 % des Phosphors und des Stickstoffs aus dem Wasser, bevor wir es zurück ins Meer pumpen“, erklärt der Agrarwissenschaftler von Danwitz. Im Meer würden diese Stoffe das Algenwachstum fördern. Wenn diese dann absterben, sinken sie auf den Grund und werden bakteriell zersetzt. Das verbraucht wiederum Sauerstoff, der von anderen Meeres-Bewohnern benötigt wird. Tote Zonen im Meer sind die Folge.

Das Meerwasser der Zuchtanlage stammt aus dem Skagerak zwischen Dänemark und Norwegen. Durch perforierte Rohre wird es durch Sand geleitet. Auf diese Biofiltration folgt eine Behandlung mit UV Licht. So bleibt die Geißel der Lachszucht draußen: Die Lachslaus zählt zu den größten Problemen der Haltung in offenen Netzkäfigen. Der Parasit beißt sich durch die Fischhaut und verursacht offene Wunden. In den dicht besiedelten Populationen der Zuchtanlagen kann er sich rasant ausbreiten. Auch wenn es mittlerweile technische und biologische Methoden gegen den Parasiten gibt, wird dieser häufig immer noch mit Insektiziden sowie Bleich- und Desinfektionsmitteln bekämpft. Danish Salmon produziert schon seit neun Jahren parasitenfrei. Trotzdem kommt jeden Monat ein Veterinär zur Kontrolle. Das schreibt das ASC-Siegel für nachhaltige Aquakultur vor.


Um die Gesundheit der Fische sicherzustellen wird sorgfältig getestet (Foto: Jörg Böthling) 


Überprüfen der größeren Tanks (Foto: Jörg Böthling)

Gefahr für Wildbestände

Ein weiteres Problem der Zucht in Netzkäfigen ist der Einsatz von Antibiotika. Auch wenn Marktführer Norwegen diesen durch massenhaftes Impfen der Fische zurückfahren konnte, arbeiten viele andere immer noch damit. Zudem  entkommen regelmäßig viele Zuchtlachse in die Wildnis. Norwegen meldete über einen Beobachtungszeitraum von 14 Jahren durchschnittlich 450.000 entkommene Fische pro Jahr. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Die Fische aus den Netzkäfigen dringen bis in die Flüsse vor und verändern den Genpool des Wildlachses. Das kann bei Danish Salmon nicht passieren. Auch verzichtet die Zucht an Land auf jegliche Medikamente sowie künstliche Pigmente zur Färbung der Lachse. „Den Einsatz von Antibiotika verbietet alleine unsere über lange Zeit aufgebaute Bakterienkultur zur Wasserreinigung“, sagt Arnd von Danwitz.

Weniger Futter aus Fisch 

Früher verfütterte die Aquakultur überwiegend Öl und Mehl aus kleinen, wild gefangenen Fischen. Gefischt und verarbeitet wird dieses Futter meist viele Tausend Kilometer entfernt. Für Haltbarkeit und den sicheren Transport muss es mit teilweise problematischen Stoffen konserviert werden. Doch der Anteil von Futter aus Fischöl und -mehl sinkt. Alleine, weil die Nachfrage der wachsenden Aquakultur kaum gedeckt werden kann. Auf diese Proteine ganz verzichten kann die Lachszucht nicht. Im Gegensatz zu anderen Zuchtfischen, wie etwa der Forelle, lässt sich der Lachs nicht zum Vegetarier umerziehen. Neben Weizenproteinen, Soja und anderen Inhaltsstoffen besteht deshalb auch bei Danish Salmon ein Viertel des Futters aus Fisch. „Das ist immer noch viel zu viel', sagt der Geschäftsführer Kim Hieronymus Lyhne. „Wir wollen alternative Proteinquellen finden.' Bereits jetzt wird zum Beispiel ein Teil der Fischproteine aus Resten gewonnen, die beim Ausnehmen und Filetieren anfallen. Biomar, der Futterlieferant von Danish Salmon, experimentiert zudem mit Protein aus Insekten und Algenöl. Das Problem bei diesen Ersatzstoffen ist die Verfügbarkeit.

Immer ausverkauft

Zurzeit leben 850.000 Lachse von 0,5 Gramm bis fast vier Kilo in den Becken von Danish Salmon. Ab August dieses Jahres sollen es deutlich mehr werden. Nebenan bauen schwere Maschinen an der Erweiterung der Anlage. Dort sollen vor allem große Fische noch größer werden. Danish Salmon wird dann 2,5 mal so viel produzieren. Zurzeit ist es mit 1100 Tonnen pro Jahr noch wenig im Vergleich zu den durchschnittlich 8000 Tonnen einer offenen Zuchtanlage in Norwegen, von denen es Hunderte gibt. Der Preis für den nachhaltigen Lachs vom Land liegt ein Drittel über dem aus Norwegen. Trotzdem übersteigt die Nachfrage immer die produzierte Menge. Kunden sind die Gastronomie und Supermärkte, wie COOP in Dänemark und die norwegische Kette Rema 1000. Als nächstes will Danish Salmon den Vertrieb in Deutschland ausweiten, wo der Markt für nachhaltige Lebensmittel relativ groß ist. Noch gibt es hier den Festland-Lachs erst bei zwei Online-Händlern.


 Das Gewicht der Fische in den Tanks von Danish Salmon reicht von 0,5 Gramm bis zu fast 4 Kilogramm (Foto: Jörg Böthling)

Aquakultur statt Überfischung

Bereits über die Hälfte des weltweit konsumierten Fisches stammt aus der Aquakultur. In Zukunft werden es noch mehr werden. Über ein Drittel der Fischbestände der Weltmeere sind überfischt. Die anderen zwei Drittel befinden sich großteils an der Grenze dazu. 1

Immer mehr Fischarten lassen sich in der Aquakultur aufziehen.2 Viele Farmen aber arbeiten nicht nachhaltig. Mangrovenwälder werden gefällt, um Zuchtbecken für Shrimps oder Tilapia anzulegen. Weltweit sind in den letzten 20 Jahren mehr als ein Drittel der Mangroven bestände vernichtet worden3. Pangasius oder Dorade in offenen Käfigen im Meer können ähnliche Schäden wie Lachs verursachen.4,5

Immer häufiger werden deshalb Fische in geschlossenen Systemen an Land gezüchtet, auch weil sich unter kontrollierten Bedingungen das Wachstum positiv beeinflussen lässt. Nicht alle dieser Versuche sind wirtschaftlich erfolgreich. Innovativ, aber auch kostspielig, ist die Verbindung von Fischzucht und Pflanzenbau mit der Aquaponik. Dabei werden Fäkalien und Futterreste als Dünger genutzt. Ein bekanntes Beispiel ist die Kombination von Tilapia-Zucht mit dem Anbau von Basilikum von ECF Farmsystems in einer alten Brauerei in Berlin. Das innovative System gibt es mittlerweile auch auf dem Dach eines Großmarktes in Belgien und den Hallen eines Gastronomie-Händlers in der Schweiz.

Lachszucht an Land ist bisher selten. Mit einer weltweiten Produktionsmenge von 10.000 Tonnen ist sie aber im vergangenen Jahr um 30 % gewachsen. Nicht weit von Danish Salmon entfernt hat gerade eine Neuanlage ihre Produktion aufgenommen. Auch in Norwegen wird nachhaltig Lachs gezüchtet.

In Florida will Atlantic Sapphire bis 2031 mit einem geschlossenen Kreislaufsystem an Land jährlich 220.000 Tonnen produzieren 6. Selbst in den Schweizer Alpen schwimmt der begehrte Fisch bei Swiss Lachs im Graubündischen Lostallo auf dem Trockenen.


Die Lachszucht an Land ist im letzten Jahr um fast 30% gestiegen (Foto: Jörg Böthling)

Die meisten Anlagen entstehen dort, wo frischer Lachs gekauft wird. So wird dem Lachs das Fliegen abgewöhnt. Ein weiteres Argument für die Zucht an Land. Neben den bisher geschilderten Folgen belasten Tausende Flug- und LKW-Kilometer die Umwelt, um den beliebten Fisch zu seinen Abnehmern zu schaffen.

Für den Transport aus Norwegen in die vier wichtigsten asiatischen Exportländer hat die norwegische Umweltschutzorganisation „Framtiden i våre hender“ einen Klimagasausstoß zwischen 5,3 und 6,3 Kilogramm CO₂ pro Kilogramm Lachs errechnet. 7

Ein Dämpfer für die Lachszucht an Land ist der Energieverbrauch für Kühlung und Pumpen. Auf der Stromrechnung von Danish Salmon stehen jedes Jahr 7 bis 8 Millionen Kilowattstunden. Das Unternehmen bezieht diese aus erneuerbaren Quellen, überwiegend aus dänischer Windkraft. Für die Zukunft von nachhaltigem Lachs wird Energie-Effizienz eine wichtige Rolle spielen. Im Neubau von Danish Salmon soll die Produktion bereits ein Drittel weniger verbrauchen. In den nächsten Jahren wollen die Betreiber noch einmal zusätzliche 20 % einsparen.

Kim Hieronymus Lyhne erwartet ein steiles Wachstum der geschlossenen Aquakultur an Land. „Es geht ja gerade erst richtig los.“ Das ist auch die Einschätzung der japanischen Investoren, die vor kurzem bei Danish Salmon eingestiegen sind und die Erweiterung finanziert haben. „Landbasierten, geschlossenen Kreislaufanlagen wird großes Potenzial zugeschrieben, sie bieten nicht nur beim Lachs einige Vorteile gegenüber offenen Systemen“, sagt auch Fabian Schäfer, Experte für Aquakultur am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Auch ein Teil der Politik drückt in diese Richtung. Kanadas Justin Trudeau zum Beispiel will bis 2025 die gesamte Erzeugung von Zuchtlachs in British Columbia vom Meer auf das Land verlegen. Ob es auch in Zukunft noch Fischkutter geben wird, die wie die im dänischen Hirtshals pittoresk auf den Wellen dümpeln, ist also sehr fraglich.
 

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