Vanille wird manchmal als “Königin der Gewürze” bezeichnet und häufig aufgrund ihres süßen Geschmacks und floralen Geruchs verwendet. Aber wie wird Vanille angebaut? Die echten Vanilleschoten sind sehr mühselig bezüglich ihrer Aufzucht, weshalb neue Wege erfunden werden mussten, um der hohen Nachfrage dieser beliebten Geschmacksrichtung nachkommen zu können.
Nenne sie ruhig einfach, nenne sie ruhig langweilig, aber Vanille ist eine der bekanntesten Geschmacksrichtungen der Welt. Sämtliche Arten von Süßigkeiten werden mit diesem wohlriechenden Gewürz verfeinert und sein verlockendes Aroma wird in allen möglichen Bereichen verwendet: Sei es in Seifen und Parfüms bis hin zu Kerzen und Ölen.
Pure Vanille wird oft als eine einfache und klassische Geschmacksrichtung angesehen, sie ist aber auch ein wichtiger Bestandteil anderer Geschmacksrichtungen wie Schokolade, Karamell, Erdbeere und Kokosnuss. Bäcker und Köche benutzen Vanille, um zu süßen, Bitterkeit auszugleichen und um ihren fertigen Gerichten eine cremige Konsistenz zu verleihen.
Frühe Verwendungen von Vanillegeschmack
Lange Zeit bevor Vanille in Europa und dem Rest der Welt so beliebt wurde, wurde sie von den Maya in Mesoamerika in ein auf Kakao basierendes Getränk gemixt. Etwas ähnliches namens Chocolatl wurde von dem aztekischen Adel getrunken. Nachdem die Spanier das Reich der Azteken erobert hatten, waren Kakao und Vanille unter den Lebensmitteln, die mit nach Europa gebracht wurden.1
Übrigens: Vanille wurde schon sehr früh als etwas behandelt, das man zur Schokolade gibt. Erst um das 17. Jahrhundert herum begann ein Apotheker namens Hugh Morgan, mit Vanille als einzelnem Gewürz zu experimentieren. Er entwickelte ein aus Vanille bestehendes Konfekt, das am Hof von Königin Elizabeth 1. sehr beliebt war.2
Die Anfänge von Bourbon Vanille
Du kennst Vanille wahrscheinlich in Form von trockenen, dünnen Schoten, die 14 bis 25 cm lang sind und aufgebrochen werden müssen, um dann die kleinen schwarzen Samen aus ihnen herauskratzen zu können. Diese Vanilleschoten sind eigentlich die getrockneten Früchte einer Orchideenart, von der das Gewürz auch seinen Namen hat: Vanilla planifolia.
Hortikulturisten (s. Glossar) in Frankreich und England bemühten sich, die Vanille-Orchideen auch in den botanischen Gärten Europas anzubauen. Die Blumen entwickelten allerdings keine Früchte, da der natürliche Bestäuber der Orchideen, die Melipona Biene, im Südosten von Mexiko vorkam.
Erst 1841 entwickelte ein Sklavenarbeiter namens Edmond Albius eine akribische Methode der Handbestäubung: Er drückte die mit Pollen überzogenen männlichen Teile jeder einzelnen Pflanze an deren weiblichen Teile.3
Diese Technik verbreitete sich dann von Albius’ Zuhause auf der französischen Insel Réunion zu der nahegelegenen Insel Madagaskar, wo die Orchideen noch heute von Kleinbauern von Hand bestäubt werden und somit rund 80% der echten Vanille der Welt produzieren.4 Es gibt natürlich auch andere wichtige Vanille-Produzenten wie Indonesien, Tahiti, Uganda und Mexiko. Für viele Lebensmittelexperten gilt die so genannte “Bourbon Vanille” aus Madagaskar aber als eine der Besten.
Warum ist die echte Vanille so teuer?
Die ursprünglich aus Zentral- und Südamerika und der Karibik stammende Vanille-Orchidee wächst in heißen und feuchten Klimazonen als Weinrebe, die sich um Bäume oder Rahmen wickelt und gedeiht, umgeben von anderen Baum- und Pflanzenarten. Dies macht es sehr schwierig, irgendeine Form von Monokultur (s. Glossar) aufzubauen.5 Vanille anzubauen ist außerdem sehr arbeitsintensiv, was sie zu einem der teuersten Gewürze macht (nach Safran das zweitteuerste). Sie wird daher regelmäßig für mehrere hundert Euro pro Kilo verkauft.
Jede Weinrebe braucht 3-4 Jahre, um zu reifen und die Orchideen blühen nur für ca. 24 Stunden, und das einmal im Jahr. Das bedeutet, dass die Züchter jede einzelne Blüte kontrollieren müssen, um sie dann zum richtigen Zeitpunkt per Hand mit einer hölzernen Nadel zu bestäuben. Wenn man eine übersiehst, trägt sie erst im nächsten Jahr wieder Früchte.
In den nächsten 6-9 Monaten nach der Bestäubung und vor der Ernte müssen die Züchter aufmerksam über ihre Pflanzen wachen (manche schlafen sogar bei ihnen), um “Vanille-Diebe” davon abzuhalten, ihr oft einziges Einkommen zu stehlen.6
Es ist schwer zu erkennen, wann die Vanilleschoten reif zur Ernte sind, aber die Kleinbauern haben einen sechsten Sinn dafür entwickelt, wann die Schoten von den Reben entfernt werden können.7 Die Schoten entwickeln das für sie charakteristische Vanillearoma und den Geschmack erst, nachdem sie getrocknet und haltbar gemacht wurden. Vor dem Verkauf müssen sie schnell aussortiert und bewertet werden.
Wie Vanilleschoten verarbeitet werden
Das Härten der Vanilleschoten dauert nochmal mehrere Monate und beinhaltet viele einzelne Handgriffe.8
- Brühen: Die Vanilleschoten werden in heißes Wasser gegeben (60℃-80℃, kommt auf die Qualität der Schoten an), um die Fermentierung zu stoppen.
- Sonnen und “schwitzen”: Die Schoten werden dann für 7-10 Tage tagsüber gesonnt und nachts dicht aneinander gestapelt, um dort zu “schwitzen”. So wird die Temperatur erhöht und sie verlieren Wasser, wodurch sie nicht so schnell verderben. Es wird darauf geachtet, dass noch genug Feuchtigkeit enthalten ist, damit enzymatische Reaktionen stattfinden können: Diese sind für die Entwicklung von Vanillegeschmack und -aroma wichtig, außerdem auch für die farbliche Veränderung von grün zu braun verantwortlich.
- Trocknung: Danach werden die Vanilleschoten bei Raumtemperatur getrocknet.
- Veredelung/Verpacken: Die Schoten werden mehrere Monate lang in geschlossenen Boxen aufbewahrt, um weitere biochemische Reaktionen zu fördern, die das Geschmacksprofil und die aromatische Zusammensetzung von Vanille produzieren.
Vom Anbau der Vanilleschoten über Bestäubung bis hin zur Ernte und Härtung wird fast ein Jahr lang Arbeit investiert, bevor sie für den Export bereit sind. Und all diese Arbeit wird vollständig von Menschen, ohne die Hilfe von Maschinen, verrichtet - etwas, was in solch einer hochtechnologischen Industrie wie der Lebensmittelproduktion unbekannt ist.
Durch die erhöhte Häufigkeit von extremen Wetterereignissen, die verstärkter auftreten werden, wenn der Klimawandel nicht kontrolliert wird, wird der Druck auf die Vanillebauern weiter erhöht. Dies wird sich auch auf den bereits hohen Preis der echten Vanille auswirken.9
Da der größte Teil der Vanille von Züchtern in kleinem Umfang produziert wird, kann die Produktion echter Vanille (die 2019 rund 1.100 und 1.200 Tonnen hervorgebracht haben) der weltweiten Nachfrage nicht gerecht werden. Deshalb stammt weniger als 1% der in Lebensmitteln oder aromatisierten Produkten vorkommenden Vanille von echten Vanilleschoten ab.10
Stattdessen mussten alternative, künstliche Methoden geschaffen werden, um das Vanillin (das ist die natürliche Verbindung, die für den wiedererkennbaren Vanillegeschmack sorgt) zu erzeugen und es in großen Mengen und zu erschwinglichen Preisen herzustellen.
Vanillin: Die Produktion des Vanillegeschmacks
Vanillin ist in jeder Art und Weise gleich, egal, ob es künstlich hergestellt wurde oder aus der Vanilleschote kommt. Der Grund, warum das Vanilleextrakt aus den Schoten komplexer ist als das künstlich hergestellte, ist, dass die echte Vanille eine Kombination aus 250 anderen Verbindungen enthält, die für den vollmundigen Geschmack sorgen.11
Allerdings werden diese extra Verbindungen - diejenigen, die an Zimt, Rum und Flora erinnern - bei höheren Temperaturen sowieso aus den Lebensmitteln gekocht, weshalb nur Lebensmittel wie Pudding, Eiscreme oder Joghurt von dem Geschmack der echten Vanille profitieren.12
Übrigens: Lebensmittelexperten haben kleine Tests durchgeführt, in denen sie Menschen Kekse angeboten haben, die sowohl mit echtem als auch mit künstlich hergestelltem Vanilleextrakt gebacken wurden. Sie fanden heraus, dass 2:1 Menschen die Kekse mit dem künstlichen Vanilleextrakt bevorzugten!13
Die Wissenschaft hinter Vanillin
Das meiste Vanillin wird aus Verbindungen gewonnen, die in der Petrochemie bestehen - hauptsächlich Guajacol und Glyoxylsäure. Ca. 85 Prozent des künstlichen Vanillins stammt aus dieser Quelle. Die zweitgrößte Vanillinquelle ist Holzzellstoff oder vielmehr Lignin aus Pflanzengeweben, die mit Laugen und Sulfiden oxidiert werden.14 Allerdings gebraucht künstliches Vanillin aus Lignin Kupfer-Substanzen, weshalb es vom Menschen nicht sicher konsumiert werden kann. Also wird diese Art von künstlichem Vanillin für Parfüms und Arzneimittel genutzt.15
In den letzten Jahren gab es durch die Forderung der Verbraucher eine Bewegung, die darauf abzielt, dass die Hersteller nachhaltigere und “ganz natürliche” Zutaten benutzen. Die Lebensmittelhersteller hatten es aber schwer, mit der geringen und unsicheren Produktion von Vanille fertig zu werden. Diese Firmen mussten also entweder ihre Rezepturen so neu zusammensetzen, dass weniger Vanille benutzt wird oder nach alternativen Wegen der Produktion suchen, bei der die Reaktionen natürlich stattfinden.16
Übrigens: Vanillin kann auch aus Castoreum (ein Sekret aus den sogenannten Castorbeuteln unter dem Schambein des Bibers, das die Tiere zu ihrer Reviermarkierung nutzen) gewonnen werden. Da es von einem Tier stammt, wird dieses Vanillin als “natürlich” angesehen. Diese Methode wird heutzutage aber kaum benutzt, da es schwierig und invasiv ist, das Castoreum von lebenden Bibern zu bekommen.17
Genetisch verändertes Vanillin?
Neuere Methoden der Vanillinproduktion umfassen die genetische Veränderung, um biosynthetische Gene in Hefezellen einzuführen, damit diese Zellen durch Fermentierung Vanillin produzieren. Da Methoden der Biokonversion normalerweise auf günstigem und leicht zugänglichem Zucker aufbauen, haben sie das Potenzial eine nachhaltigere und verlässlichere Art der künstlichen Herstellung von Vanillin zu werden. Leider ist dieses Verfahren nicht einfach in großem Rahmen durchführbar, weshalb es in der Branche noch nicht weit verbreitet ist.18
Die Story des Vanillegeschmacks war bereits lang und komplex, umfasste Kriege und Königreiche sowie landwirtschaftliche und wissenschaftliche Innovationen. Und sie ist noch nicht zu Ende. In Zukunft wird es noch mehr Glück und Ausdauer brauchen, um sicherzugehen, dass es ein dauerhaftes Angebot der weltweit beliebtesten Geschmacksrichtung gibt.
Wo hast du jemals dein bestes Vanille-Geschmackserlebnis gehabt? Glaubst du, es kam von echtem oder künstlichem Vanillin? Schreibe uns gerne einen Kommentar dazu!
- “The History of Vanilla”. National Geographic. Accessed 30 June 2020.
- “History of Vanilla”. Nielsen-Massey Vanillas. Accessed 30 June 2020.
- “Why One Island Grows 80% of the World’s Vanilla”. Atlas-Obscura. Accessed 30 June 2020.
- “Vanilla Boom Is Making People Crazy Rich — And Jittery — In Madagascar”. NPR. Accessed 30 June 2020.
- “Vanillanomics”. Bloomberg. Accessed 30 June 2020.
- “Fighting the vanilla thieves of Madagascar”. BBC. Accessed 30 June 2020.
- “The Bittersweet Story of Vanilla”. Smithsonian Magazine. Accessed 30 June 2020.
- Gallage & Moller (2017) “Vanilla: The Most Popular Flavour“ in Biotechnology of Natural Products pp 3-24.
- “Vanilla Is Nearly as Expensive as Silver. That Spells Trouble for Madagascar”. TIME. Accessed 30 June 2020.
- “Crop Report 2019”. Nielsen-Massey Vanillas. Accessed 30 June 2020.
- Takashi, Sakamaki & Fujita (2013) “Simultaneous Analysis of Guaiacol and Vanillin in a Vanilla Extract by Using High-Performance Liquid Chromatography with Electrochemical Detection“ in Bioscience, Biotechnology, and Biochemistry 77:3, 595-600.
- “The Flavor Rundown: Natural vs. Artificial Flavors”. Science in the News. Accessed 30 June 2020.
- “Is Real Vanilla Always Better Than Imitation Vanilla?”. Epicurious. Accessed 30 June 2020.
- Ciriminna et al. (2018) “Vanillin: The Case for Greener Production Driven by Sustainability Megatrend” in ChemistryOpen 8(6): 660–667.
- “There’s Nothing ‘Vanilla’ About Vanilla”. Bryan Quoc Le. Accessed 30 June 2020.
- “The Problem with Vanilla”. Scientific American. Accessed 30 June 2020.
- “A Brief History of Castoreum, the Beaver Butt Secretion Used as Flavoring”. Mental Floss. Accessed 30 June 2020.
- “Choosy consumers drive a near 1,000% spike in vanilla prices”. The Conversation. Accessed 30 June 2020.
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