Wie Feigenbäume Wälder wieder aufforsten und die Biodiversität unterstützen
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Wie Feigenbäume Wälder wieder aufforsten und die Biodiversität unterstützen

Weitverbreitete Wiederaufforstungsbemühungen gelten als sicherer Weg zur Eindämmung des Klimawandels, zur Einschränkung des Verlusts von Lebensräumen und zum Schutz der Biodiversität. Aber es reicht allerdings nicht, einfach nur neue Bäume zu pflanzen. Hier erfährst du, wie speziell Feigenbäume eine zentrale Rolle dabei spielen, abgeholztes Land wieder zum Leben zu erwecken.

Den süßlichen Geruch reifer Feigen findet man im Spätsommer oft: In Supermärkten, Bauernläden und bei Gemüsehändlern lädt er die Besucher zum Kauf ein. Als ein echter Liebhaber von Feigen viertel ich sie, genieße dabei kurz das komplexe Muster der aufgeschnittenen Feige, bevor ich jedes Stück mit der Haut verschlinge. Aber abgesehen davon, dass die Feige ein köstlicher Leckerbissen ist, ist sie auch ziemlich außergewöhnlich: Es handelt sich überhaupt nicht um eine Frucht, sondern um eine Kapsel mit umgekehrten Mini-Blüten, die als Blütenstand bezeichnet wird.

Die Feige und die Feigenwespe

Da jede Feige aussieht wie ein Knäuel mit versteckten Blüten, müssen diese bestäubt werden, damit die Frucht sich fortpflanzen kann. Die Blüten befinden sich allerdings in einem rundlichen Hohlraum der Feige, sind also schwer zugänglich für Insekten.  Die knifflige Aufgabe kann nur ein wahrer Spezialist unter den Insekten übernehmen: Die Feigenwespe.

Lies hier mehr über die faszinierende Beziehung von Feige und Feigenwespe.

Obwohl diese Fortpflanzungstaktik zunächst sehr umständlich und hinderlich erscheint, ist eigentlich das Gegenteil der Fall: Feigenbäume umgehen damit eines der größten Probleme der Pflanzenwelt, nämlich dass Bäume derselben Art nicht mehr zwangsläufig nah beieinander stehen müssen, um sich erfolgreich zu vermehren.

Unterstützt durch solch eine spezialisierte Armee von Bestäubern haben Feigenbäume eine extrem erfolgreiche Bestäubungsrate erreicht, und das trotz der oftmals großen Distanz zwischen den einzelnen Bäumen. Feigenwespen fliegen auf ihrer Suche nach einem passenden Baum nämlich ziemlich weit: Manchmal mehr als zehn Kilometer, weiter als jeder andere bekannte Bestäuber. 1

Lerne hier, wie die Bestäubung in der modernen Landwirtschaft funktioniert.

Feigenbäume gedeihen in verschiedenen Gegenden

Diese einzigartige Fähigkeit, sich über große Entfernungen hinweg fortzupflanzen, hat der Feige eine enorme Anpassungsfähigkeit verliehen. Da Feigen als Solitärpflanzen immer noch in der Lage sind, sich fortzupflanzen, kommen sie nicht nur fast überall in der Natur vor und eignen sich daher auch für eine Vielzahl von Umweltnischen. Feigenbäume haben sich auch zu Hunderten von individuellen Arten entwickelt: Ficus, die Feigengattung, umfasst mehr als 850 Arten! Damit ist die Feige eine der weltweit größten Pflanzenfamilien.

Feigen findet man in allen Formen und Größen und das an einigen der abgelegensten Orten der Welt, von Berggipfeln und Regenwäldern bis hin zu Wüsten und Vulkaninseln. Sie wachsen als Bäume, Sträucher oder Reben daher. 2 Einige Arten, bekannt als Banyanbäume, werden so groß und breit verzweigt, dass eine einzelne Pflanze mit einem ganzen Wald verwechselt werden kann! Das größte Exemplar davon wächst in Indien und erstreckt sich über vier Hektar. Das Kronendach der Pflanze ist so weitläufig, dass angeblich 20.000 Menschen darunter stehen könnten3.

Wie Feigenbäume die Biodiversität unterstützen

Die große Vielfalt und weit verbreitete Verfügbarkeit von Feigenpflanzen haben sie zu einer produktiven Nahrungsquelle für zahlreiche lokale Wildtierarten gemacht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bäumen, die ihre Früchte nur zu einer Jahreszeit produzieren, kann dies ein Feigenbaum das ganze Jahr über.  Dies ist der einzigartigen Beziehung zwischen Feige und Feigenwespe zu verdanken. Damit auftauchende Wespenweibchen immer eine Feige zum Nisten und Bestäuben vorfinden, muss die Pflanze kontinuierlich Früchte produzieren. Es dauert etwa 1-2 Monate, nachdem eine Feige bestäubt wurde, bis sie reif und essbar ist. Das bedeutet, dass es immer einen Feigenbaum mit reifen Früchten gibt, auf den die Frugivoren (fruchtfressenden Arten) in mageren Zeiten zurückgreifen können4  -  - auch dann, wenn in einer Saison insgesamt nur wenige Früchte vorhanden sind. 

Feigen sind eine Schlüsselart

Zahllose Frugivoren waren beim Kampf ums Überleben auf Feigen angewiesen: Von Vögeln und Eichhörnchen über Reptilien bis hin zu Affen und sogar unsere menschlichen Vorfahren.5 Eine Studie aus dem Jahr 2001 hat gezeigt, dass weltweit ganze 1.300 Vogel- und Säugetierarten Feigen verzehren. Dadurch ernähren sie mehr Wildtiere als jede andere bekannte Frucht. 6 Aufgrund der entscheidenden Rolle, die Feigen bei der Erhaltung von Wildtierpopulationen und der Unterstützung von Ökosystemen spielen, gehören Feigenbäume zu den sogenannten Schlüsselarten unserer Ökosysteme. Das beschreibt der Tropenökologe Daniel Janzen folgendermaßen: „Wer isst Feigen? Jeder!“. 7 Aus diesem Grund behauptet der Tropenbiologe Rhett Harrison sogar, dass Feigen eine der wichtigsten Pflanzen des tropischen Regenwaldes seien.1 Werden sie aus dem Wald entfernt, so riskiert man eine Störung des gesamten Ökosystems.

Abgeholztes Land wieder zum Leben erwecken

In tropischen Klimazonen, wo die meisten Feigenarten wachsen, sind viele, wenn nicht alle Frucht fressenden Insekten irgendwann auf die Feige angewiesen, um zu überleben. Davon profitieren auch die Gesundheit und Diversität des in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Waldökosystems. Die weitverbreitete Abhängigkeit von Feigen unter den Frugivoren hat dazu geführt, dass diese Pflanze eine zentrale Rolle bei der Förderung zur Regeneration von abgeholzten Landschaften spielt. 8

Als könnte die Feige noch nicht genug, ist sie zusätzlich auch noch extrem widerstandsfähig und oftmals eine der ersten, die auf abgeholzten Flächen wieder auftaucht. Davon angelockt kommen auch Insekten (die Frugivoren) zurück und bringen Samen und Pollen anderer Pflanzen mit sich. Rund um den Feigenbaum verlieren die Tiere ihre Mitbringsel, entweder durch ihre Ausscheidungen oder sie fallen einfach von ihnen ab. Damit legen sie den Grundstein für eine artenreiche Wiederaufforstung. Das Resultat ist ein gesunder und dynamischer Wachstumsprozess. 9

Feigenbäume können dabei helfen, Land zu regenerieren

Tropische Regenwälder sind die reichsten Ökosysteme der Erde. Obwohl sie nur 2% der Erdoberfläche bedecken, beherbergen die Regenwälder 50% der Biodiversität des Planeten! 10 Der Versuch, diese unglaubliche Vielfalt zu reproduzieren, oder sie sogar in zuvor abgeholzte Gebiete wieder einzuführen, bleibt für Ökologen weltweit eine der wichtigsten Herausforderungen.

"Aber was Sie tun können", so berichtet Nigel Tucker, ein beratender Umweltwissenschaftler, "sind Bedingungen zu schaffen, unter denen diese vielfältige Biodiversität von selbst zurückkommen kann". Wenn man zum Beispiel auf unfruchtbares Land heimische Insekten anlockt, die wiederum Samen auf dem Boden verteilen, wirken Feigen als Katalysator und beschleunigen den natürlichen Erholungsprozess des Waldes: „Feigen bringen Vielfalt in den Wald, die man durch eine Wiederaufforstung alleine nicht erreichen würde". Aus diesem Grund schlägt Nigel vor, dass mindestens 10% der in tropischen Wiederaufforstungsprojekten verwendeten Pflanzen Feigen-Setzlinge sein sollten. 11

In Thailand erprobt der Biologe Steve Elliott von der Forest Restoration Research Unit [A3] sogar den Einsatz von Drohnen zur Verteilung von Feigensamen (und anderen) an abgeholzten Standorten. Eine Drohne, die mit einer Luftkanone ausgerüstet ist, kann auf einer Fläche von einem Hektar abgeholzten Land in weniger als 30 Minuten eine Aussaat auf dem Boden verteilen - eine Aufgabe, für die vier Personen sechs Tage benötigen würden. 12

Natur durch Natur reparieren

Die Feige vermittelt uns also eine tiefgründige Botschaft über die lebenswichtige Koexistenz zwischen Lebewesen und in diesem Zusammenhang eine Lektion darüber, wie wir einige der Umweltprobleme angehen können, mit denen wir konfrontiert sind. Wenn wir uns die Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und natürliche Anziehungskraft der Feige auf Insekten zunutze machen können, kann die Pflanze uns helfen, verloren gegangene Wälder wiederzubeleben, die biologische Vielfalt zu schützen und den rasch fortschreitenden Klimawandel einzudämmen.

Wirst du deine nächste Feige jetzt mit anderen Augen betrachten? Teile uns gerne deine Meinung zu dieser Frucht in einem Kommentar mit!

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