Spargel und Erdbeeren aus Deutschland - Haben sie eine Zukunft?
Die Erde zuerst

Spargel und Erdbeeren aus Deutschland - Haben sie eine Zukunft?

Mit den ersten wärmeren Tagen und neuem Grün an den Bäumen tauchen jedes Frühjahr auch Verkaufsstände mit Spargel und Erdbeeren am Straßenrand auf, die erst mit dem Ende der Erdbeersaison wieder verschwinden. Wird dies auch in Zukunft so sein?

Viele warten jedes Jahr ungeduldig auf den ersten deutschen Spargel.

Doch meist dauert es bis Mitte April, bis er im Handel oder auf dem Markt zu finden ist. Zwar wird versucht, diesen Zeitpunkt immer weitere nach vorne zu legen.
Doch der meiste Spargel, der vor April auf den deutschen Markt kommt, stammt immer noch aus südlicheren Ländern, vor allem Spanien und Griechenland,2 wo die Pflanzen bereits früher die von ihnen bevorzugten Wachstumsbedingungen von mehr als 10° Bodentemperatur vorfinden.3

Bis zum Ende der Spargelsaison, die traditionell am Johannistag, dem 24. Juni, endet, wird in Deutschland gerne und viel Spargel verzehrt, im Jahr 2021 pro Kopf 1,5, kg.4

Gekrönte Häupter und Auszeichnungen

Auch Königin Elisabeth II, die im Juni 2015 auf Staatsbesuch in Deutschland war, kam gerade noch rechtzeitig, und konnte während des Staatsbanketts in Schloss Bellevue den letzten Spargel aus Beelitz in Brandenburg genießen.5 Er wurde 2018 sogar in das europäische Register der geschützten geographischen Angaben aufgenommen.6

Saisonarbeiter ernten den ersten Spargel der Saison auf einem Hof in Weiterstadt, Westdeutschland (Foto von Fabian Sommer/DPA/AFP über Getty Images)

Anbaufläche

Dieser Konsum spiegelt sich auch in der Anbaufläche wider. So wurde in Deutschland 2021 auf mehr als 22.000 Hektar Spargel angebaut. Im Vergleich dazu liegt der zweitgrößte europäische Produzent Spanien mit etwas mehr als 13.500 Hektar weit abgeschlagen auf Platz zwei.7 

Spargel und Erdbeeren – der Klassiker

Doch es ist nicht nur der erste Spargel, der jedes Jahr ungeduldig erwartet wird. Viele fiebern auch den ersten deutschen Erdbeeren entgegen, mit denen dann auch immer schon etwas Sommer in der Luft liegt.

Obwohl Erdbeeren als Importware inzwischen fast das ganze Jahr im Supermarkt zu finden sind, beginnt die Haupterntezeit in Deutschland meist erst Anfang Mai.8  Erdbeeren und Spargel teilen sich somit einige Wochen Erntezeit, und so verwundert es nicht, dass sie in vielen Rezepten miteinander kombiniert werden.

Ein vertrauter Ort im Frühjahr. Kunden kaufen Erdbeeren vor einem Erdbeerhof in Kiel, Deutschland (Foto von Goncalo Silva/NurPhoto über Getty Images)

Was war anders?

Doch im vergangenen Jahr scheinen viele Gewohnheiten ins Wanken geraten zu sein.
Zwar wurde schon vor Beginn der Saison 2022 in allen Regionen Deutschlands, auch durch den eher milden Winter, eine gute Erdbeerernte erwartet, wie der Verband der Süddeutschen Spargel- und Erdbeeranbauer noch Mitte April in einer Pressemitteilung mitteilte.9

Aber schon während der laufenden Saison gab es erste Anzeichen, die die Euphorie dämpften.
Bereits Anfang Juni hatte fast die Hälfte der Befragten einer Umfrage angegeben noch keine Erdbeeren aus deutschem Anbau gekauft zu haben.10

„Neben dem zögerlichen Kaufverhalten der Kunden, wahrscheinlich bedingt durch die Inflation, kam hinzu, dass der Einzelhandel bis weit in den Mai, und damit bis weit in die deutsche Saison hinein, auch ausländische Erdbeeren im Angebot hatte“ blickt Peter Muß vom Provinzialverband Rheinland, einer Interessenvertretung der Obst- und Gemüsebauern in Nordrhein- Westfalen zurück.11

Diese stammen insbesondere aus dem Süden Europas oder Nordafrika 12, wo vor allem die Lohnkosten deutlich niedriger sind. Sie können somit viel günstiger produziert und angeboten werden, und sind dann oft auch beim Kunden die erste Wahl.

Zu den hohen Lohnkosten in Deutschland, die durch die viele Handarbeit beim Erdbeeranbau besonders ins Gewicht fallen, kamen für die Bauern auch die gestiegenen Kosten für Energie und Benzin hinzu.
„Letztlich sollte der Preis, den der Bauer für seine Ware erzielt, aber natürlich höher sein als die Kosten, die für ihn angefallen“, macht Peter Muß deutlich, „sonst macht dies für ihn wirtschaftlich keinen Sinn.“
So sorgten einige Bauern im Westen Deutschlands für Schlagzeilen, da sie ihre Erdbeerfelder vernichteten, anstatt sie zu ernten.13

Wie sah es beim Spargel aus?

Auch die Spargelbranche blickte zunächst zuversichtlich auf die bald beginnende Ernte.14 Doch auch hier war außergewöhnlich lange günstigere importierte Ware im Angebot.
„Dies änderte sich im Laufe der Saison“, blickt Peter Muß zurück, „und deutscher Spargel wurde zeitweise auch für fünf Euro pro Kilo angeboten. Doch die Kunden waren dennoch sehr zurückhaltend.“

Hinzu kamen für die Bauern auch hier die gestiegenen Kosten für Energie und Benzin. Vielerorts endete die Spargelernte deshalb schon vor dem 24. Juni.15

Hat dies Konsequenzen ?

Nach einer vorläufigen Schätzung des Statistischen Bundesamtes ist die Erdbeerernte von Erdbeeren im Freiland 2022 die niedrigste Erdbeerernte seit 24 Jahren.16 Und auch in den kommenden Jahren wird diese Zahl voraussichtlich nicht steigen.

„Wir haben nun schon von vielen unserer Betriebe gehört, die den Anbau von Erdbeeren einstellen oder verkleinern werden, oder dies bereits getan haben“, blickt Peter Muß in die Zukunft. „Viele pflanzen auf diesen Feldern nun beispielsweise Getreide an.”

Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes lag die deutschlandweite Erntemenge von Erdbeeren im Freiland 2022 bei rund 91 300 Tonnen. Nur 1998 war die Ernte mit 81 500 Tonnen Erdbeeren noch geringer. (Foto von Petra Faitsch)

Steigender Mindestlohn

Zum 1. Oktober 2022 stieg zudem der gesetzliche Mindestlohn von 10,45 Euro auf 12 Euro,17 und erhöht damit die Lohnkosten weiter, die beim Anbau von Lebensmitteln, bei denen viel Handarbeit gefragt ist, besonders ins Gewicht fallen. 

Spielen auch andere Faktoren eine Rolle ?

Auf dem Haslacherhof nahe der Schweizer Grenze bewirtschaftet Familie Finsler in inzwischen vierter Generation 100 Hektar Land, seit mehr als 25 Jahren nach Bioland- Richtlinien. Auf einem Hektar werden Erdbeeren angebaut.18  Damit gehören sie zu einem kleinen Kreis, denn von den mehr als 12.000 Hektar Anbaufläche von Erdbeeren in Deutschland im Jahre 2021 wurden nur knapp 271 Hektar vollständig ökologisch bewirtschaftet.19 Die Erdbeeren werden direkt ab Hof an Selbstpflücker verkauft, über mangelnde Nachfrage konnte man in der vergangenen Saison nicht klagen. Dennoch ist sich Albrecht Finsler nicht sicher, ob die Anbaufläche auch in Zukunft in dieser Größe erhalten bleiben wird.

„Die Frage des Wassers wird dabei entscheidend sein,“ stellt er fest.„Die Erdbeere braucht Feuchtigkeit. Doch gerade nach der Erntezeit war es wieder sehr trocken” Wie schon vor zwei Jahren durfte Familie Finsler jedoch kein Wasser mehr aus dem nahe gelegenen Bach entnehmen, da auch dieser wenig Wasser trug.
So mussten sie zusehen, wie ihre Erdbeerpflanzen vertrockneten, obwohl diese im Spätsommer eigentlich mit der Bildung der Blütenknospen für das kommende Jahr beginnen.
Zwar erholen sich die Pflanzen etwas, wenn dann doch einmal Regen fällt, doch ob sie auch im kommenden Jahr wieder reich blühen werden, zeigt sich immer erst im nächsten Frühjahr.

Blick auf die Spargelernte

Auch die Spargelernte 2022 wird nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes im Vergleich zum vergangenen Jahr um 5% geringer ausfallen.20
Eine Erklärung sieht die Behörde zum einen in der gesunkenen ertragsfähigen Anbaufläche. Daneben macht sie jedoch möglicherweise auch die sinkende Nachfrage für den Rückgang der erwarteten Erntemenge verantwortlich.

Blick auf einen Spargelhof

Auf Hof Lübbert nordwestlich von Hannover baut Henrik Lübbert mit seiner Familie bereits in zweiter Generation Spargel an, die dritte Generation steckt schon in den Kinderschuhen. Die Anbaufläche umfasst inzwischen 14 Hektar. 21 Über die Hälfte ihrer Ernte verkauft die Familie direkt ab Hof oder an einem der Verkaufstände, der Rest findet unter anderem Abnehmer in Gastrononie und über den Einzelhandel.

Henrik Lübbert ist vor allem in Sorge für die kommende Saison. Denn auch auf ihn kommen höhere Energiekosten und vor allem auch höhere Lohnkosten zu. Doch er weiß, dass er diese nicht weitergeben kann.
„Ich wäre froh, wenn ich meinen Spargel zum gleichen Preis wie 2022 verkaufen könnte“, stellt er fest.
Doch wie sich die Kunden angesichts kontinuierlich steigender Lebenshaltungskosten verhalten werden , ist noch nicht absehbar.

An der Anbaufläche wird sich dennoch zunächst nichts ändern. Denn anders als Erdbeerpflanzen, die schon nach zwei bis drei Jahren neu gepflanzt werden müssen, ist eine Spargelkultur bis zu 10 Jahre ertragsfähig, und wird für diesen Zeitraum auch im Betrieb kalkuliert. So kann auf dieser Anbaufläche nicht wie bei anderen Kulturen, wie beispielsweise der einjährigen Kartoffel, kurzfristig für eine andere Bepflanzung Platz gemacht werden.

Es bleibt abzuwarten, ob die Verkaufsstände auch in Zukunft mit ausreichend Erdbeeren und Spargel aus Deutschland gefüllt sind, und dann auch ihre Abnehmer finden werden.

Hinweise
  1. „Spargel, Edelgemüse aus Deutschland“, aufgerufen am 20.12.2022
  2. „Pro-Kopf-Konsum von Spargel in Deutschland in den Jahren 2005/06 bis 2020/21“, Sandra Ahrens, statista.com, aufgerufen am 20.12.2022
  3. „Queen lässt sich deutsche Spezialitäten schmecken“, Stuttgarter Zeitung 25.06.2015, aufgerufen am 20.12.2022
  4. „Qualitätszeichen "geographisch geschützte Angabe" für Beelitzer Spargel feierlich übergeben“, Pressemitteilung Nr. 151/2018 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 16. Oktober 2018, aufgerufen am 20.12.2022
  5. „Europäische Länder mit der größten Anbaufläche von Spargel in den Jahren 2019 bis 2021“, Sandra Ahrens, Statista.com, aufgerufen am 20.12.2022
  6. „Vorfreude ist die schönste Freude – Erdbeerkonsum im Winter schadet der Natur“, Julja Koch, nabu.de, aufgerufen am 20.12.2022
  7. „Start der Erdbeersaison, Rot, süß, lecker - endlich wieder Erdbeeren aus der Region genießen“, Pressemitteilung des Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V. vom 19. April 2022, aufgerufen am 20.12.2022
  8. „Haben Sie dieses Jahr schon Erdbeeren aus deutschem Anbau gegessen?“, Sandra Ahrens, statista.com, aufgerufen am 20.12.2022
  9. Peter Muß, Stellvertretender Geschäftsführer Provinzialverband Rheinland, Telefonat am 18. Juli 2022
  10. „Wichtigste Lieferländer von Erdbeerimporten nach Deutschland nach Importmenge in den Jahren 2019 bis 2021“, Sandra Ahrens, statista.com, aufgerufen am 20.12.2022
  11. „Warum Landwirte ihre Erdbeeren vernichten“, Jörn Kießler, www1.wdr.de, aufgerufen am 20.12.2022
  12. „Milder Winter und sonnige Frühlingstage sorgen für frühen Saisonstart“, Pressemitteilung des Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V. vom 21. März 2022, aufgerufen am 20.12.2022
  13. „Bayerische Spargelbauern von der Saison enttäuscht“, Oliver Tubenauer, br.de, aufgerufen am 20.12.2022
  14. „Niedrigste Erdbeerernte seit 24 Jahren erwartet“, Pressemitteilung Nr. 310 des Statistischen Bundesamtes vom 20.12.2022
  15. „Zwölf Euro Mindestlohn – Mehr Lohn für Millionen Menschen“, bundesregierung.de, aufgerufen am 20.12.2022
  16. Telefonat mit Rita Finsler am 01.08.2022 und Albrecht Finsler am 13.09.2022
  17. Anbaufläche von Erdbeeren in Deutschland in den Jahren 1977 bis 2021“, Sandra Ahrens, statista.com, aufgerufen am 20.12.2022
  18. „Anbaufläche von Erdbeeren im ökologischen Landbau in Deutschland bis 2021“, Sandra Ahrens, statista.com; aufgerufen am 20.12.2022
  19. „Niedrigste Erdbeerernte seit 24 Jahren erwartet“, Pressemitteilung Nr. 310 des Statistischen Bundesamtes vom 21. Juli 2022, aufgerufen am 20.12.2022
  20. Telefonat mit Hendrik Lübbert am 14.09.2022
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