Mikroalgen | 4 interessante Wege Algen zu essen
Die Zukunft

Mikroalgen | 4 interessante Wege Algen zu essen

Sie enthalten mehr Eiweiß als Steak und mehr Eisen als Spinat. Außerdem wachsen sie in Salzwasser, verdoppeln täglich ihre Größe und absorbieren CO2. Trotz alldem haben sich Algen noch nicht wirklich in der Lebensmittelindustrie durchgesetzt. Sie haben großes Potenzial, aber wollen wir sie wirklich auf unseren Tellern haben?

Ein Teller voll grüner Mikroalgen strahlt Gesundheit aus – kein Wunder, dass Spirulina-Smoothies so beliebt sind. Doch Traditionen sind schwer zu brechen, denn wir sind es immer noch nicht gewohnt, bestimmte Produkte in einem so frischen grünen Look zu sehen. Wie lässt sich das ändern ?

Algen die grüne Farbe entziehen


Forschende könnten die Farbe der Algen anpassen, was aber sehr kompliziert ist: Man müsste die gewünschten Bestandteile aus den Algen extrahieren und sie dann raffinieren, allerdings erhöhen sich dadurch die Kosten. Außerdem hängt das Entfernen der Farbe auch vom Endprodukt selbst ab. Imogen Foubert, Leiterin des Labors für Lebensmittel und Lipide an der Katholischen Universität Leuven (Campus Kulak Kortrijk), hat viel über Fette in Mikroalgen geforscht und sagt: „Es ist sehr schwierig, den Fetten in Grünalgen ihre grüne Farbe zu entziehen, ohne dass dabei bestimmte positive Eigenschaften verloren gehen. Zusammen mit den grünen Pigmenten würden nämlich auch die Carotinoide entfernt: Antioxidantien, die die Fette oxidativ stabilisieren (und damit länger haltbar machen, Anm. d. Red.). Bei Eiweißprodukten ist das Entfärben einfacher. Da Pigmente fettlöslich sind, bleiben sie in den Fetten zurück, wenn sie aus den Proteinen extrahiert werden.“


Welche anderen Möglichkeiten haben wir für die Zubereitung von Speisen, die mit Algen angereichert sind?

A technician inoculates microalgae cells at a biological laboratory in Guiyang, China. (CFOTO/Future Publishing via Getty Images)

Ein Labormitarbeiterin impft Zellen von Mikroalgen in einem biologischen Labor in Guiyang, China. (CFOTO/Future Publishing über Getty Images)

1. Algen mit anderen grünen Lebensmitteln essen

Foubert erklärt eine einfachere Option: „Die Wahl von Lebensmittel, bei denen die grüne Farbe nicht auffällt. Wir sind bereits an grüne Smoothies, Suppen oder Soßen gewöhnt. Aber nicht so sehr an grüne Sandwiches oder Fleischprodukte. Meine Forschungsgruppe hat einmal eine Art Wurstaufschnitt mit Algen hergestellt. Das Ergebnis war wirklich sehr grün – obwohl ein gutes Marketingteam so etwas wahrscheinlich immer noch verkaufen könnte. Eine kleine Menge von einem oder zwei Prozent Algen hat bereits starken Einfluss auf die Farbe unserer Lebensmittel. Allerdings gibt es auch Algen, die überhaupt nicht grün sind, rote Mikroalgen würden sich vielleicht besser für Fleischprodukte eignen.“

Mikroalgen | 4 interessante Wege Algen zu essen

2. Spirulina für eine ansprechende Präsentation

Für den Algenkoch Donald Deschagt vom „Le Homard et La Moule“ in der belgischen Küstenstadt Bredene ist die typische Spirulina-Farbe dagegen eine Bereicherung. „Ich verwende Spirulina-Pulver wegen seiner schönen grünen Farbe und als Salzersatz. Eine Prise Spirulina in einem Baiser hebt es von den roten Früchten ab, mit denen ich es serviere. Ich verwende es auch in Brötchen, Algenwurst, Krabben-Crackern, Macarons und Keksen.“ Die Mengen, die Deschagt verwendet, sind zu gering, um einen ausgeprägten Spirulina-Geschmack oder eine extrem leuchtende Farbe zu erzeugen. Aber seine Gerichte beweisen, dass ein grüner Touch für Menschen, die offen für neue Erfahrungen sind, kein Problem ist.

3. Algen als Geschmacksträger

Der Geschmack ist eine Sache für sich – Algen sind tatsächlich eine sehr vielfältige Gruppe, darum gibt es eine enorme Vielfalt an Geschmacksrichtungen. „Manche Aromen sind ein wenig grasig, andere erinnern an Fisch oder Hummer. Es geht darum, die richtigen Kombinationen zu wählen. Ich habe einmal Cocktailnüsse gegessen, die mit Algenpulver sogar besser schmeckten als ohne“, erzählt Imogen Foubert.

Alexander Mathys, der an der ETH Zürich die Verarbeitung von Mikroalgen erforscht, sieht vor allem bei heterotrophen Algen (d.h. Algen, die keine Photosynthese betreiben) Potenzial, da sie aufgrund der fehlenden Photosynthese keine grüne Farbe haben. „Bei Grünalgen stellt der Geschmack eine größere Herausforderung dar als bei heterotrophen Algen, die wir mit natürlichen Aromen oder Kräutern würzen können. Schließlich konsumieren wir selten reine, ungewürzte Zutaten. Also lasst uns kreativ werden.“Fouberts weist jedoch darauf hin, dass „diese heterotrophen Algen einen Nachteil haben: Sie enthalten nicht die Carotinoide, die in Grünalgen vorkommen, was sie anfälliger für die Zersetzung durch Sauerstoff macht.“

Photo by Roos Mestdagh

Foto von Roos Mestdagh

4. Algen Struktur verleihen

Algenpulver allein kann unseren Bedarf an Eiweiß nicht decken. Siegfried Vlaeminck, der an der Universität Antwerpen über nachhaltige mikrobielle Technologien forscht, erklärt: „Sie müssen vom Zusatzstoff zur Zutat werden, was Kreativität und Lebensmitteltechnologie erfordert. Die meisten Menschen werden nicht so schnell damit anfangen, Pulver oder Pellets zu verwenden, daher ist es wichtig, den Algenproteinen eine bestimmte Textur zu geben. Denken wir zum Beispiel an küchenfertige pflanzliche Burger, Hackfleisch oder Chicken Nuggets. Diese Eiweiße werden aus Soja oder Erbsen isoliert und dann mit einer Struktur versehen. Ein gängiges Verfahren hierfür ist die Extrusion.“ Bei der Extrusion werden die Algenproteine mit Hilfe von Schneckenwellen, Hitze und Druck in eine feste Masse aus fleischähnlichen Fasern verwandelt. Mathys und seine Kolleg:innen haben mit dieser Technik experimentiert: „In unseren Experimenten funktionierte die Extrusion mit reinen Algenproteinen nicht ganz so gut. Aber die Mischung mit anderen Eiweißen, wie zum Beispiel Hülsenfrüchten, ergab die besten Ergebnisse in Bezug auf Nährwert, Textur und andere organoleptische Eigenschaften (Geschmack, Geruch, Aussehen usw.).“
Eine Mischung aus 60 % Soja und 30 % Algen erwies sich in ihrem Experiment als ideal. Die spezielle Algenart, die das Team verwendete, führte zu einem Endprodukt, das deutlich mehr Vitamin B1, B2 und E enthielt als ein anderer Fleischersatz, der nur aus Soja bestand. „Wir haben eine gelbe, heterotrophe kultivierte Mikroalge verwendet. Unser Endergebnis war also nicht leuchtend grün, was eine wirklich schwer zu vermarktende Farbe ist.“

Zukünftige Möglichkeiten zum Verzehr von Algen


Foubert sieht Chancen für Lebensmittel, die Algen als Ganzes enthalten. „Es könnte interessanter sein, die gesamte Biomasse zu verarbeiten, wie eine Art Gemüse – darin sehe ich mehr Potenzial. Geschmack und Geruch bleiben zwar eine Herausforderung, aber intelligentes Marketing kann uns weit bringen.“

Dieser Artikel wurde ursprünglich für das belgische Magazin Eos Tracé geschrieben. Den Beitrag auf Niederländisch findet Ihr hier.

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