Intoleranz gegenüber Laktose
Weltweit gesehen kann die Mehrzahl der Erwachsenen Milchprodukte schlecht vertragen. In Europa hingegen gilt dies nur für etwa 15 Prozent der Menschen. Milchprodukte haben hier eine wichtige Bedeutung. Wer sie nicht verträgt, kann pflanzliche Alternativen wählen, laktosefreie Milchprodukte kaufen oder der Unverträglichkeit mit Laktase-Präparaten begegnen.
Was ist Laktose?
Laktose ist der wesentliche Energielieferant in der Milch, ein Liter Kuhmilch enthält knapp 50 Gramm. Bei Schaf und Ziege ist es etwas weniger. Chemisch gesehen ist Laktose ein Zweifachzucker mit geringer Süßkraft, der aus „Glucose“ und „Galactose“ besteht.2 Und genau da beginnt das Problem mit der Unverträglichkeit: Damit der Milchzucker verdaut werden kann, muss er nämlich in diese beiden Bestandteile zerlegt werden.3 Das Zerlegen der Laktose übernimmt die Laktase.
Was macht Laktase?
Laktase ist ein Enzym, das unser Körper im Dünndarm selber bilden kann. Direkt dort zerlegt es dann auch die Laktose, so dass deren Bestandteile durch die Darmwand ins Blut aufgenommen werden können. Bei Säuglingen und Kleinkindern klappt das problemlos. In Richtung Erwachsenenalter lässt die Fähigkeit, Laktase zu bilden, jedoch nach.4
Das ist bei rund zwei Drittel der Weltbevölkerung der Fall.5 Aber es gibt enorme regionale Unterschiede. Während Erwachsene im Norden Europas Laktose in der Regel verdauen können, sind es in Afrika und Asien nur sehr wenige. Die Spannbreite reicht von 4 Prozent Laktoseintoleranz in Dänemark und Irland bis zu 100 Prozent in Südkorea.5
Das hat genetische Gründe, deren Entstehung auf 5000 bis 8000 Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert wird. Seinerzeit war es in den langen nordischen Wintern auch für Erwachsene ein deutlicher Überlebensvorteil, Milchprodukte zu verzehren. Entsprechend vererbte sich hier vor allem ein Gen, das die Laktasebildung bis ins höhere Alter ermöglichte.6
Wie äußert sich Laktoseintoleranz?
Laktoseintoleranz ist in der Regel eine Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker, keine Krankheit.1 Wenn der Körper mehr Laktose aufnimmt als er durch Laktase aufspalten kann, werden die Überschüsse unverdaut vom Dünndarm in den Dickdarm weitergeleitet. Dort werden sie von Bakterien zerlegt, vor allem in kurzkettige Fettsäuren und Wasserstoffgas.4 Das kann krampfartige Bauchschmerzen und Übelkeit auslösen und zu Durchfall führen. Die Symptome sind individuell durchaus unterschiedlich, und auch die Menge an Laktose, die ohne Beschwerden verdaut werden kann, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch.4
Was tun bei Laktoseintoleranz?
In den meisten Ländern Asiens und Afrikas stehen laktosehaltige Produkte gar nicht erst auf dem Speiseplan. In Nordeuropa hingegen könnte Laktoseintoleranz den Verzicht auf viele traditionelle Lebensmittel bedeuten: Milch, Joghurt, Quark und Sahne und damit zubereitete Mahlzeiten. Alternativen sind milchähnliche Produkte, die aus Getreide, Soja, Körnern oder Nüssen hergestellt werden.7 Sie unterscheiden sich in Geschmack und Inhaltsstoffen deutlich von Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch, werden jedoch ähnlich anlassbezogen konsumiert: pur, in Kaffeegetränken, Pudding, Käse oder ähnlichem. Treibende Kraft dafür, dass die Nachfrage nach solchen Alternativen steigt, ist neben Laktoseintoleranz der Veganismus.
Die Erzeugung von Milch und Milchprodukten steht im Ruf, Umwelt und Klima zu belasten.7 Für Menschen, die eine Laktoseunverträglichkeit entwickeln, kann sich daher die Frage stellen, ob sie gleich auf pflanzliche Alternativen anstatt auf laktosefreie Milchprodukte umsteigen sollten. Zu beachten sind deutliche Nährwertunterschiede zwischen diesen Möglichkeiten.7 Bei einem Verzicht auf Milchprodukte gilt es, eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D aus anderen Quellen sicherzustellen.20
Für Menschen, die trotz einer Unverträglichkeit Milchprodukte konsumieren möchten, bieten sich zwei Möglichkeiten an. Entweder nehmen sie zusätzlich zur Milch ein Laktasepräparat ein8, oder sie verwenden laktosefreie Milchprodukte. Als „laktosefrei“ gilt ein Lebensmittel, wenn es weniger als 0,1 Gramm Laktose pro 100 Gramm beziehungsweise 100 ml enthält.9 Deutlich über diesen Werten liegen Milch und Molke, Joghurt, Quark und Sahne mit jeweils vier bis fünf Gramm. Auch Fertiggerichte, Fleischwaren und Süßigkeiten können mehr als 1 Prozent Laktose enthalten. Sie stammt aus den ihnen zugesetzten Milchprodukten.10,11,12 Wer Laktose nicht verträgt, muss daher die Zutatenlisten beachten. Weich- und Schnittkäse sind hingegen weitgehend laktosearm, mit fortschreitender Reifung sogar laktosefrei.13
Herstellung laktosefreier Produkte
Für die Herstellung laktosefreier Produkte gibt es mehrere Verfahren.14 In den meisten Fällen wird der Milch nach der Pasteurisierung Laktase zugefügt, die den Milchzucker innerhalb von sechs bis acht Stunden aufspaltet.15,17 Ist der Laktosegehalt dadurch unter 0,1 Prozent gesenkt worden, wird der Vorgang durch kurzes, ultrahohes Erhitzen gestoppt, beispielsweise zwei Sekunden bei 142 Grad.18 Da die Milch nun anstelle von Laktose den süßeren Einfachzucker enthält, schmeckt sie süßer. Sie wird als „Frische Milch länger haltbar“ und H-Milch verkauft oder zu laktosefreien Quark-, Joghurt- und Sahneprodukten weiterverarbeitet.
Die in der Industrie eingesetzte Laktase wird, ebenso wie die Laktase im Einzelhandel, mithilfe von Hefekulturen hergestellt.19 Sie ist nicht mit der körpereigenen Laktase identisch, erfüllt aber denselben Zweck. Bei anderen Herstellungsverfahren wird die Milch über Laktaseträger geleitet, was ein anschließendes, den Geschmack veränderndes Hocherhitzen vermeidet.14 Oder die Laktase wird herausgefiltert und nur ein Teil als Glucose und Galactose wieder zugefügt. Auch in diesem Fall schmeckt die Milch „natürlicher“, darf aber nicht mehr Milch genannt werden, sondern ist nun ein „Milchgetränk“.16