Globale Ernährungssicherheit - was passiert unter der deutschen G7 Präsidentschaft
Die Zukunft

Globale Ernährungssicherheit - was passiert unter der deutschen G7 Präsidentschaft

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine dominieren ehemalige Nischenthemen die politischen Diskurse. Steigende Lebensmittelpreise, globale Ernährungssicherheit, ländliche Entwicklung, Transformation von Ernährungssystemen, Abhängigkeiten von Weizenimporten in Niedriglohnländern, Export von Agrarprodukten über das Schwarze Meer und der Einsatz von Hunger als Waffe werden in der breiten Öffentlichkeit diskutiert.

Reagiert die Politik ? 

Auch die deutsche und internationale Politik hat sich dem Thema angenommen und auf die Agenden supranationaler Treffen gesetzt: im Rat der Europäischen Union, in den G7 und G20 Treffen findet sich “globale Ernährungssicherung“ als Diskussionspunkt wieder. Zudem wurden bereits politische Initiativen auf höchster Ebene initiiert, welche die katastrophalen Folgen des Ukraine-Kriegs für Niedriglohnländer, zum Beispiel durch Offenhaltung der Märkte, Informationsaustausch oder Solidaritätsmaßnahmen, abschwächen  sollen. Diese umfassen u.a. die FARM Initiative von Frankreichs Präsident Macron, die Global Crisis Response Group der Vereinten Nationen und die Globalen Allianz für Ernährungssicherheit der deutschen G7-Präsidentschaft.

Die G7 sind ein informeller Zusammenschluss der ehemals größten Wirtschaftsnationen weltweit: USA, Kanada, Vereinigtes Königreich, Deutschland, Frankreich und Italien. Seit den 1970ern finden Treffen in dieser Konstellation statt. Die Europäische Kommission hat seit den 1980ern einen Beobachterstatus. Russland wurde 1998 aufgenommen, womit dann von den G8 gesprochen wurde, aber nach der Invasion und Besetzung der Krim 2014 wieder ausgeschlossen. Jedes Jahr obliegt einem Land die Präsidentschaft und es werden für gewöhnlich mehrere Ministertreffen sowie ein Gipfeltreffen veranstaltet. Die G7 beschäftigen sich vor allem mit den Themen Weltwirtschaft sowie Außen- und Sicherheitspolitik. In den letzten Jahren sind aber auch vermehrt umwelt-, entwicklungspolitische und humanitäre Themen auf der Agenda zu finden.

Ist eine Trendwende in Sicht ?

Diese Entwicklungen erwecken den Eindruck, dass das Thema Ernährungssicherheit an Relevanz gewinnt und eine Lösung bevorsteht. 

Allerdings ist erst vor Kurzem wieder durch die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bestätigt worden, dass die entsprechenden Zahlen bereits seit 2015 zunehmen und im Jahr 2021 bis zu 828 Millionen Menschen hungerten 1. Außerdem steigen die Nahrungsmittelpreise seit 2019 an – und tragen ihren Teil zu den steigenden Hungerzahlen bei2.

Preissteigerungen und existierende Krisen

Die Steigerung der Nahrungsmittelpreise ist verheerend 3, denn sie treffen Menschen mit einem niedrigen Einkommen, die bereits vor der Krise mehr als 50% ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben mussten, sehr hart 4. Dazu trifft diese Entwicklung auf Bevölkerungen, die sehr verletzlich sind, da alle wenn überhaupt  vorhandenen Rücklagen durch existierende Krisen bereits aufgebraucht wurden.  Die Krisen werden im Englischen mit den drei C’s zusammengefasst: - die Folgen der Klimakrise, die zunehmenden gewaltsamen Konflikte weltweit und die Folgen der Corona-Pandemie. Die drei C’s  sind die Hauptgründe für die steigenden Hungerzahlen weltweit. 

Ernährungssicherheit auf dem G7-Gipfel

Ende Juni fand der G7-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft im bayrischen Elmau statt und Ernährungssicherung stand weit oben auf der Agenda. Die hieraus erwachsene Initiative, die Globale Allianz für Ernährungssicherung (im Englischen GAFS), wurde als unmittelbare Reaktion auf die steigende Zahl von Menschen im globalen Süden angekündigt, deren Ernährung aufgrund des Ukraine-Kriegs unsicher geworden ist. 

Foto: Ein Mann verarbeitet Weizen in Odessa, Ukraine, wo Tausende von Tonnen Getreide wegen des anhaltenden Konflikts mit Russland nicht ausgeführt werden können (Metin Aktas/Getty)

Beim G7-Gipfel wurde sie von allen beteiligten Nationen wie auch weiteren Staaten und internationalen Akteuren angenommen, und wird im Abschlusskommuniqué der G7 mit einer Bereitstellung von zusätzlichen 4.5 Mrd. USD für Ernährungssicherheit in diesem Jahr für die GAFS 5 untermauert. 

Darüber hinaus finden sich weitere Zusagen der G7, die zwar einen entwicklungspolitischen Fokus, aber keinen direkten Einfluss auf Ernährungssicherheit haben; dies umfasst z.B. angekündigte Investitionen in Infrastruktur im globalen Süden in Höhe von 600 Mrd. USD, oder die Erhöhung der „Special Drawing Rights“, welche die Liquidität von sogenannten Entwicklungsländern und somit Investitionen in öffentliche Güter verbessert, auf 100 Mrd. USD. 

Außerdem finden sich in einer Zusatzerklärung zu Ernährungssicherheit einige Hinweise darüber, wie die G7 die weltweite Hungerkrise überwinden wollen. Dies beinhaltet zum Beispiel Offenhaltung der Lebensmittel- und Agrarmärkte 6 , Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit von Agrar- und Ernährungssystemen 7, Unterstützung des  Ausschuss für Welternährungssicherheit (CFS), Stärkung der landwirtschaftlichen Produktivität in den am stärksten betroffenen Ländern 8 sowie die Minimierung von Nahrungsmittelverlusten und -verschwendung. Weiterhin wird die Förderung einer ausgewogenen und gesunden Ernährung angesprochen . 

Sind die Ergebnisse des Gipfels ausreichend?

Dies sind in Summe interessante, aber auch bereits bekannte Ansätze der multisektoralen Hungerbekämpfung. Insgesamt sind die Ergebnisse des G7-Gipfels inklusive der Inhalte des Abschlusskommuniqués sowie die Ergebnisse der Papiere aus den einzelnen Arbeitssitzungen nicht ausreichend, um auf die aktuelle Krise angemessen zu reagieren. 

Die 4.5 Milliarden USD sind z.B. nur ein Bruchteil der Summe die notwendig ist, um die aktuellen Entwicklungen abzufedern - und gänzlich ungeeignet, um die benötigte langfristige Transformation hin zu gerechten, nachhaltigen Ernährungssystemen engagiert voranzutreiben. 

Auf dem G7-Gipfel wurde trotz der Aufnahme von Ernährungssicherung als Agendapunkt kein wirklicher politischer Wille und keine konkreten Schritte sichtbar, wie die multiplen Krisen systemisch und nachhaltig angegangen und gemeinsam gelöst werden können. 

Selbst da, wo durchaus sinnvolle Textbausteine zu finden sind, fehlt es an konkreten Ankündigungen und verlässlichen Zusagen.

Wie sollte eine nachhaltige Lösung aussehen?

Durch den Krieg in der Ukraine sind wir mit einer neuen globalen humanitären Krise konfrontiert. Und selbstverständlich muss die Adressierung dieser Krise durch angemessene humanitäre Hilfen zur Linderung der akuten Hungerkatastrophe erfolgen.  

Aber diese Hilfen können nur der Ausgangspunkt für die langfristige Bekämpfung der strukturellen Ernährungsunsicherheit sein. Eben diese fundamental wichtige Ausrichtung hat die GAFS aber nie für sich eingenommen. Und dies, obwohl es bereits ältere G7 Verpflichtungen gibt, die ebendiesen ambitionierteren und langfristigeren Anspruch erheben, wie z.B. das Elmau- Versprechen von 2015, nach dem 500 Millionen Menschen bis 2030 aus dem Hunger befreit werden sollen. 

Um aber den dringend benötigten Übergang von notwendiger Akuthilfe zu wirklicher Systemtransformation zu erreichen, müssen langfristig politische und finanzielle Verpflichtungen drastisch erhöht werden. 

In die entsprechenden Finanzierungsbedarfe gibt die Sektorstudie CERES 2030 9 einen Einblick, die wissenschaftlich fundiert darlegt, welche finanziellen Anstrengungen unternommen werden müssen, um Hunger global zu überwinden. Um z.B. das  Elmau-Versprechen zu erreichen, sind pro Jahr zusätzlich mindestens 14 Milliarden US-Dollar Mehrinvestitionen seitens aller G7-Staaten notwendig. Diese Summe versteht sich allerdings als reine Investition in zukunftsfähige Ernährungssysteme und beinhaltet keine akute humanitäre Hilfe. Eine langfristige Erhöhung der entsprechenden Etats ist angesichts der multiplen globalen Krisen gerade sicher nicht gern gesehen – muss aber unzweifelhaft in Betracht gezogen werden, wenn die Finanzspritze von 4.5 Mrd. USD nicht verpuffen soll.

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