Digitalisierung: Besseres  Aquakultur- und Fischereimanagement
Die Erde zuerst

Digitalisierung: Besseres Aquakultur- und Fischereimanagement

Vorhersagen im Zusammenhang mit dem Wetter kennt ihr. Aber wusstet ihr, dass sich mithilfe von Vorhersagen auch die Gewässerbewirtschaftung (Aquakultur) modernisieren lässt? Hier erfahrt ihr mehr darüber, wie ein Hersteller von Prognosesoftware die Themen Nachhaltigkeit und effiziente Fischzucht auf ein ganz neues Niveau hebt.

Natalie Brennan, Vorstand für das operative Geschäft von Manolin , spricht heute mit mir über die zunehmende Bedeutung von Datenmaterial in der Aquakultur und darüber, wie prädiktive Prognosesoftware die Fischzucht verändert.

Viele kennen den Begriff „Prognose“ aus dem Wetterbericht, aber wahrscheinlich nur wenige im Zusammenhang mit der Fischzucht. Wie funktioniert das mit der prädiktiven Analyse in der Aquakultur?

Im Prinzip genauso wie beim Wetter: Man schaut sich Faktoren wie das Auftreten einer Krankheit oder einer giftigen Algenblüte in der Vergangenheit an, um die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses in der Zukunft vorherzusagen.

Wir erstellen in der Praxis also Prognosen für Fischfarmen. Vor Kurzem haben wir zum Beispiel eine Vorhersage für die Pankreaskrankheit (PD) entwickelt – eine Lachskrankheit, die sich im Zuchtbetrieb übergreifend ausbreiten und das Wachstum der Fische einschränken kann. Um die Entwicklung dieser Krankheit voraussagen zu können, sammeln wir Daten, mit deren Hilfe wir bestimmen können, welche Faktoren (z.B. Meerestemperatur, die Anzahl der Boote auf einer Farm usw.) die Entwicklung der Pankreaskrankheit in der Vergangenheit beeinflusst haben.

Im Anschluss lassen wir über diese Faktoren Algorithmen laufen, die uns zeigen, in welcher Beziehung die Einzelfaktoren zu einander stehen. Von diesen Beziehungen ausgehend kann der Computer dann prognostizieren, wann das Risiko für ein Auftreten der Pankreaskrankheit gering, mäßig oder hoch ist. Diese Vorhersage ermöglicht es den Fischzüchtern, die Tätigkeiten in ihrem Betrieb – von der Ernte über die Fütterung bis hin zur Reinigung – so zu planen, dass einer Ansteckung mit PD vorgebeugt wird. Im Prinzip versorgt diese Technologie die Züchter mit einem Werkzeugkasten, der es ihnen erlaubt, vergangene Ereignisse zu interpretieren, um die bestmöglichen Entscheidungen in Bezug auf die Maximierung und Erhaltung der Gesundheit ihrer Fische treffen zu können.

Das heißt, wie genau kann die Digitalisierung dabei helfen, das Wohlbefinden von Fischen zu fördern?

Um zu verstehen, wie die Digitalisierung die Gesundheit der Fische beeinflussen kann, ist es wichtig, zu begreifen, wie man die Gesundheit von Fischen insgesamt fördert. Grundsätzlich hängt die Gesundheit eines Fisches von drei allgemeinen Faktoren ab:

  1. Dem Vorhandensein von Krankheiten/Pathogenen
  2. Der Umgebung (z.B. Meeresströmungen, Temperaturen und Salzgehalt)
  3. Dem Fisch selbst (z.B. Gene, Futter und der allgemeine Gesundheitszustand)

Wenn die Bedingungen in diesen drei Bereichen zu weit von ihrem Idealniveau abweichen, können die Fische krank werden oder sterben. Ein Beispiel: Wenn die Wassertemperatur auch nur ein bisschen zu hoch ist und im Wasser vermehrt schädliche Bakterien auftreten, kann ein Verlegen des Fisches von einem Gehege in ein anderes (ein für gewöhnlich eher harmloser Vorgang) für die Gesundheit des Fisches grenzwertig werden und im schlimmsten Fall zum Tod führen.

Unsere Prognosemodelle entdecken, wie diese Faktoren zusammenhängen und die Fische beeinflussen. Sie können damit den Fischzüchtern helfen, Herausforderungen oder gesundheitliche Bedrohungen für ihre Fische früher zu erkennen. Dies gibt ihnen die Möglichkeit, vorbeugende, die Gesundheit der Fische erhaltende Maßnahmen zu ergreifen, statt nur auf die Folgen zu reagieren, wenn die Fische sich bereits in einem kritischen Zustand befinden.

Zwar spielen die Fischzüchter diese Analysen bereits gedanklich durch und werden mit der Zeit äußerst treffsicher, doch diese Methode hat auch ihre Grenzen, zumal der menschliche Verstand auch nur eine begrenzte Anzahl von Faktoren und Beziehungen zueinander verarbeiten kann. Hier kommen die Großrechner und datengetriebene Technologien ins Spiel, die in Verbindung mit dem Fachwissen der Züchter wesentlich bessere Analysewerkzeuge liefern und helfen können, die bestmöglichen Lebensbedingungen für die Fische zu erreichen.

Vom Erhalt der Fischgesundheit mal abgesehen – welche Vorteile bietet die Digitalisierung den Fischzüchtern noch?

Datenmaterial bietet bei kritischen Entscheidungen mehr Sicherheit – zum Beispiel bei der Frage, ob man noch eine Parasitenkur durchführen oder schon ernten soll. Die Digitalisierung hilft auch dabei, Aufgaben wie das Ausfüllen von behördlichen Meldungen, die allgemeine Fischgesundheit zu ermitteln oder die Anpassung von Produktionsplänen zu beschleunigen. Als Folge können die Zuchtbetriebe kosteneffizienter operieren und höhere Erträge erzielen. Außerdem wird auch die Kommunikation innerhalb des Teams vereinfacht, was es den Führungskräften wiederum erlaubt, die Daten, die bestimmten Entscheidungen zugrunde lagen, zu betrachten und im Rückblick zu bestimmen, wie effektiv vergangene Entscheidungen gewesen sind.

Zusätzlich kann die über 30-jährige Erfahrung aus dem Fischfang, die ältere Fischzüchter mitbringen, auf diese Weise beschleunigt abgerufen werden. Neue Mitarbeiter können so auf vergangene Entscheidungen zurückblicken oder die Dynamik eines Betriebsstandortes und seiner Ergebnisse beurteilen, um die täglich getroffenen Entscheidungen auf fundierte Erkenntnisse zu stützen. Abgesehen davon wird dadurch auch die Zeit verringert, die die Züchter vor einer Excel-Tabelle verbringen müssen. Damit steht ihnen mehr Zeit im Zuchtbetrieb zur Verfügung.

Wenn durch die Digitalisierung mehr Informationen gespeichert werden, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Verbraucher eine höhere Transparenz erwarten dürfen?

Kurz gesagt: Ja, absolut. Dank der vermehrt gespeicherten Fisch- und Umweltdaten aus Zuchtbetrieben und anderen Quellen können die Verbraucher mehr darüber erfahren, wo ihr Produkt herkommt und was unterwegs mit dem Produkt passiert. Mit Technologien wie Blockchain verknüpft, können diese Daten außerdem auch gegen Eingriffe und Korruption geschützt werden. Die gesteigerte Transparenz Verbrauchern gegenüber wird dadurch erreicht, dass das Rechenschafts-Niveau der Hersteller für ihre Produkte angehoben wird. Eine höhere Transparenz öffnet die Türen für einen offeneren und produktiveren Dialog zwischen Verbrauchern und der Industrie.

Hier erfahrt ihr mehr über Blockchain in der Gewässerbewirtschaftung.

Du arbeitest hauptsächlich mit der norwegischen Lachszuchtindustrie zusammen. Ist es schwer, inmitten einer traditionell praktisch veranlagten Branche Unterstützung für ein Softwareprodukt zu bekommen?

Das war bis jetzt schon eine sehr interessante Reise, und weil wir hier datenwissenschaftliche Methoden mit der traditionellen Fischzucht verbinden, haben beide Seiten viel gelernt. Dass wir kleine, abgelegene Zuchtbetriebe in Norwegen besuchen, hat uns geholfen, deren Probleme und Einschränkungen anhand echter Fälle kennenzulernen. Wir sind persönlich am Prozess beteiligt und versuchen, so viel wie möglich darüber zu erfahren, wie sich die einzelnen Firmen entwickeln und ihre Herausforderungen gemeistert haben. Und das hat uns geholfen, die kritische Lücke zwischen den Datenwissenschaftlern und Züchtern zu überbrücken. Für uns ist es extrem wichtig, diese Beziehungen aufzubauen, weil wir auf diese Weise mit den Züchtern zusammenarbeiten und so die digitalen Werkzeuge implementieren können, die ihnen helfen, einige dieser Herausforderungen zu bewältigen.

Viele haben die Sorge, dass KI oder die Digitalisierung Menschen die Jobs wegnehmen könnten. Ist dir diese Sorge in der Aquakulturbranche begegnet?

Hm, nein, würde ich nicht sagen. Die Frage ist viel eher, wie die Branche von KI profitieren und dieses Ziel von ihrem heutigen Standpunkt aus erreichen kann. Ich bin der Meinung, dass die Fischzucht immer auf die Züchter angewiesen sein wird. Es gibt einfach Dinge, die niemals die Hand und Intuition eines Züchters ersetzen könnten.

Nachhaltigkeit ist in einigen der großen Protein herstellenden Industrien heute die treibende Kraft. Hältst du es für möglich, dass die Digitalisierung auch die Fischzucht in Richtung Nachhaltigkeit drängen kann?

Absolut! In gewisser Weise tut sie das ja schon:

  1. Zunehmende Transparenz:


    Ein Großteil des Diskurses über Nachhaltigkeit findet unter Anwendung der falschen Informationen statt. Mehr öffentlich zugängliche und zuverlässige Daten geben den Verbrauchern Einsicht in die tatsächliche Herkunft und den Zustand ihrer Lebensmittel. Viele glauben zum Beispiel, dass Zuchtlachse mit chemischen und antibiotischen Medikamenten vollgepumpt werden. Dabei hat die Nutzung von Antibiotika in Norwegen seit den 90er Jahren um 99 Prozent abgenommen. Das trifft auch auf die chemischen Behandlungen zu, die nur noch zu einem Bruchteil des einst erlaubten Umfangs durchgeführt werden. Eine Umstellung auf das digitale Modell wird dabei helfen, diese Daten, die den Brancheninsidern schon bekannt sind, auch Branchenfremden (Verbraucher, Entscheidungsträger usw.) zugänglich zu machen.
  2. Effizienzsteigerung:


    Mehr Daten bedeuten auch mehr Wissen um sowohl die guten als auch die schlechten Seiten eines Betriebs. Bevor man ein Boot abdichten kann, muss man erstmal wissen, wo die größten Löcher sind.
  3. Vorbeugung gegen Fischkrankheiten:


    Gesundheitliche Probleme vorhersagen und prognostizieren zu können, bevor sie eintreffen, erlaubt es den Züchtern, potenziellen Schaden mithilfe eines sachkundigen Managements zu minimieren.
  4. Umsetzung nachhaltiger Praktiken:


    Mehr Informationen über das Meer und darüber, wie sich unterschiedliche Maßnahmen darauf auswirken, bedeuten auch mehr Informationen darüber, wie das Meer so bewirtschaftet werden kann, dass nachhaltige Praktiken schneller implementiert werden können.

Zu guter Letzt: Welche Zukunft wünschst du dir persönlich in Bezug auf die Fischzucht?

Da es sich hier (zumindest im Westen) um eine relativ junge Branche handelt, hoffe ich, dass sie sowohl von den Fehlern als auch den Erfolgen der Gewässerbewirtschaftung lernen und auf deren Fundament aufbauen kann. Die Branche wächst rasant und birgt ein riesiges Potenzial – vor allem, wenn wir die Entwicklung der Meerestechnik weiter vorantreiben.

Als Verbraucher haben wir heute ein wesentlich größeres Bewusstsein für die Bedeutung einer nachhaltigen Nahrungsmittelherstellung und welche Ansprüche wir an diese haben sollten. Meine Hoffnung ist die, dass sich dieser Fokus auf und das Bewusstsein für nachhaltige Lebensmittelherstellung und Umweltmanagement in die Grundfesten der Aquakultur schreibt. Gleichzeitig hoffe ich, dass Technik, Transparenz und Vertrauen ebenfalls zu einem festen Bestandteil der Marschrichtung der Aquakultur werden und damit zu Methoden der Lebensmittelherstellung beitragen, die die Werte vieler Verbraucher heute widerspiegelt.

Um ehrlich zu sein, hat mir die Zeit, die ich in Norwegen damit verbracht habe, Fischfarmen zu besuchen und mit Menschen aus der Branche zu sprechen, gezeigt, dass das tatsächlich die Richtung ist, in die es geht. Das ist ein sehr spannender Arbeitsbereich, und ich freue mich schon darauf, in Zukunft viele weitere Menschen zu treffen, die dafür brennen, diese Branche mit neuen Ideen zu inspirieren.

Was haltet ihr denn davon, die Nachhaltigkeit und Transparenz in der Fischzucht und im Fischereimanagement mithilfe von Technologie zu erhöhen? Schreibt uns gerne eure Meinung dazu in einem Kommentar!

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